Vor kurzem fürchteten wir noch, nie wieder Kulturveranstaltungen zu erleben. In Wien sind es diesen Sommer mehr denn je, und sie sind spontaner denn je. Ein Überblick über das Angebot an darstellender Kunst unter freiem Himmel
In diesem Wiener Sommer sprießen Bühnen aus dem Boden, wo vorher keine waren. Sie wachsen und werden bevölkert in einem Tempo, das man sich zurzeit für die Entwicklung eines Impfstoffs wünschen würde. Während der theateraffine Stadtmensch gewohnt ist, zur Befriedigung seiner Lust aufs Land zu fahren – wenn er sich nicht gerade mit Impulstanz-Karten eingedeckt hat –, kann er jetzt, fast egal, wo er wohnt, im eigenen Bezirk bleiben. Wer den Radius auf das ganze Stadtgebiet ausdehnt und auch noch flexibel ist, sollte mit genauem Hinschauen auch für jeden Geschmack etwas finden.
Manche dieser Sommerbühnen verlangen Eintritt, viele nicht. Einige bitten um exakte Registrierung und Voranmeldung. Hier erhält jede Zuschauerin einen genauen Platz zugewiesen, da herrscht freie Platzwahl mit der Bitte um Voranmeldung. Größtenteils wird die Dauer jedes Programmpunkts auf eine ganze oder sogar halbe Stunde beschränkt, zumindest auf die Pause verzichten die meisten. Fast überall gibt es Verpflegung. Was alle diese Festivals gemeinsam haben, ist, dass sie extrem spontan entstanden und programmiert wurden – aus dem Gefühl des kulturellen Mangels heraus.
Eine kleine Chronologie
Im ersten Schock des Corona-Lockdowns kramten Theater allüberall verwackelte Videoaufnahmen ihrer alten Inszenierungen heraus und stellten sie ins Netz. Schauspielerinnen und Schauspieler setzten sich zu Hause vor ihre Webcams und lasen Geschichten vor. Kabarettistinnen und Musiker lernten Zoom und Jitsy und veranstalteten Live-Programme im Netz. All dies geschah, damit das Publikum sie nicht vergaß und damit sie nicht den Eindruck erweckten, auf der faulen Haut zu liegen. Einkommen hatten sie dabei in der Regel keines, außer sie waren fest angestellt und in Kurzarbeit. Die Stadt Wien organisierte im Rabenhof die wöchentliche Nummernrevue „Abgesagt? Angesagt!“, die der Stadtsender W24 ausstrahlte.
Die Talenteshow bot einen kleinen Vorgeschmack darauf, was nun im großen Stil den Kultursommer bestimmt: Künstlerinnen und Künstler aller Genres, die aufwandsarme Monologe, Musik- oder Kabarettnummern in petto hatten, nutzten die Gelegenheit, im Gegenzug für eine faire Gage ihre „Fertigkeiten zu erhalten“, wie es die ehemalige Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek einst formulierte. Wie viele und welche Menschen ihre Auftritte sahen, war für die Teilnehmer von „Abgesagt? Angesagt!“ zweitrangig.
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