In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Ras ist schwarz. Einen Afroamerikaner zum Erzschurken zu erklären, das könnte in unseren zu Recht vorsichtigen Zeiten gleich mal vorbeugende Empörung hervorrufen. Und dann waren es auch noch die Vierziger des 20. Jahrhunderts, in denen Ralph Ellison sein Opus magnum „Der unsichtbare Mann“ schrieb und aus dem radikalen jamaikanischen Panafrikanisten Marcus Garvey einen fiktiven Antagonisten bastelte, einen Demagogen sondergleichen, der nicht so sehr alles beherrschen („Ras“ heißt in einer äthiopischen Sprache „Prinz, Fürst“) wie alles kaputt machen will: Ras der Mahner benennt sich schließlich in „Ras der Zerstörer“ um.
Aber gemach. Ralph Ellison war selbst ein schwarzer Autor, noch dazu einer mit äußerst hintergründigem Humor. Sein Ich-Erzähler bezeichnet sich als „invisible man“, den die (weiße) Gesellschaft nicht wahrnimmt, was er sich am Ende eines abenteuerlichen Entwicklungsromans lachend (auch ein bisschen schurkisch) zunutze macht. Der Unsichtbare hat von den Besten gelernt, unter ihnen war auch Ras der Mahner. Dass der schlimmste Widersacher in einem kafkaesk unbarmherzigen Amerika der Rassisten selbst ein Schwarzer ist, zeugt letztlich von prickelnder Komplexität.
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