Performer Michikazu Matsune stellt Online-Hausaufgaben und zeigt ein Projekt bei den Festwochen
Man nehme eine Frucht, zum Beispiel eine Melanzani. Man lege sie auf den Boden und versetze ihr einen Stoß. Beim Rollen filme man sie, als wäre sie die Hauptdarstellerin. Wenn man will, darf man sie anschließend noch essen. Weiter: Man ziehe sich was Schönes an und stelle sich unter die Dusche. Dort tanze man wie im Regen, auf Wunsch auch singend.
Bitte was? Es handelt sich hier um so genannte Performance-Hausaufgaben, von denen Michikazu Matsune zwanzig auf einer Webseite versammelt hat. „Roll a Fruit“ von Anna Paul und „Shower Dancing“ von Deufert & Plischke sind diejenigen Übungen, die der aus Japan stammende österreichische Künstler nach eigenen Angaben selbst regelmäßig vollführt. Versammelt sind sie alle, mit lakonisch knappen Anleitungen versehen, auf www.performance-homework.work.
„Kurz vor dem Lockdown herrschte eine Art Massenpanik, es kam zur Klopapierknappheit“, erinnert sich Matsune. „Da fielen mir die Feldstecher aus Klopapierrollen ein, die mein Bruder und ich als Kinder gebastelt haben.“ Gleich am ersten Tag des allgemeinen Hausarrests entwickelte Matsune daraus die Idee zu „Performance Homework“ und setzte in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz die besagte Webseite auf. „Ich dachte mir, wenn ich schon nicht wie sonst vor Publikum auftreten kann, könnte ich doch dem Publikum Hausaufgaben geben, damit es sich seine eigenen Performances machen kann.“
Anders als herkömmliches Schauspieltheater spielt sich das Genre der Performance oft auf einer Metaebene ab. Allein, dass etwas stattfindet und wir uns das bewusst machen, schafft schon einen performativen Charakter. „In unserer Gesellschaft ist alles performativ, bewusst oder unterbewusst“, sagt Matsune. „Wir müssen daher unsere performativen Fähigkeiten ständig üben und weiterentwickeln.“
Vor allem ist das Projekt von schelmischer Ironie geprägt. Matsunes eigener Beitrag nennt sich „Core Field Glasses“. Darin geht es darum, die eigene Wohnung – und in weiterer Folge die Welt – durch Klopapierrollen hindurch mit neuen Augen anzusehen. Dazu bat der Künstler Kolleginnen und Kollegen aus dem Kunst- und Performance-Bereich, eigene Arbeiten zum Nachmachen bereitzustellen. Manche der Aufgaben sind historische Fundstücke, eines stammt etwa von einem der wichtigsten Künstler der klassischen Moderne, Henri Matisse. Noch als er alt und krank war, zeichnete Matisse vom Bett aus Arbeiten an die Wand. Das Publikum soll es ihm nun gleichtun.
Mehr im Falter 21/20