Die Norweger Ingrid Berger Myhre und Lasse Passage über ihre Performance zur Eröffnung von Imagetanz 2020
Sie ist Tänzerin und keine Musikerin, er ist Musiker und kein Tänzer. Dennoch wollten Ingrid Berger Myhre und Lasse Passage zusammenarbeiten, wirklich auf Augenhöhe gemeinsam ein Stück entwickeln. Das Ergebnis ist die höchst unterhaltsame Performance „Panflutes and Paperwork“, mit denen das norwegische Paar das diesjährige Imagetanz-Festival des Brut eröffnen wird. Insgesamt steht die diesjährige Ausgabe unter dem Motto „We dance what you think“. Dem Politischen im Privaten soll auf den Zahn gefühlt werden. Am Eröffnungsabend jedoch geht es in einer nordischen Doppelshow mit der Performance „Again the Sunset“ der Isländerin Inga Huld Hákonardóttir um das Verhältnis zwischen Tanz und Musik. Der Falter traf Ingrid Berger Myhre und Lasse Passage nach einer Aufführung in Ljubljana zum Gespräch.
Falter: Frau Berger Myhre, Herr Passage, ist Ihr Auftritt bei Imagetanz Ihr erster in Wien?
Ingrid Berger Myhre: Ich hatte vor zehn Jahren ein Danceweb-Stipendium bei Impulstanz, aber gespielt habe ich in Österreich noch nie. Es könnte aber sein, dass sich nach dem Festival auch noch andere Spielorte in Österreich auftun.
Lasse Passage: Ich hatte mal einen Gig an einem Ort namens Venster99 in den Stadtbahnbögen. Das war ziemlich ... schlunzig, ich werde es nie vergessen.
Ihre Performance heißt „Panflutes and Paperwork“, jedoch spielen Sie auf der Bühne nicht die Panflöte und verrichten auch keine Schreibarbeit. Wie kam es zu dem Titel?
Berger Myhre: Der Ausgangspunkt war die Frage: Wie können wir zusammen ein Stück kreieren, obwohl wir keine gemeinsame Disziplin, Technik und Virtuosität haben? Dazu brauchten wir einen Vermittler, das war die Partitur, die Notation. Es ging viel ums Zählen, ums Strukturieren und Systematisieren von vorhandenem Material. Die geschriebene Sprache auf Papier half uns zu verhandeln, was wir machten, nicht so sehr, wie wir es machten.
Passage: Dieses Bürokratische hat natürlich etwas Trockenes im Gegensatz zur „feuchten“ Leidenschaft des „kitschigen“ Panflötenspiels, das direkt von Herzen kommt und das Spontane, Ungeplante versinnbildlicht.
Aber ist das Strukturierte nicht langweiliger als das Leidenschaftliche?
Passage: Im Gegenteil. Unsere Nummern auf der Bühne sind alle ein bisschen albern. Der Grund, dass man trotzdem gerne zuschaut, ist, dass eine Struktur sie zusammenhält.
Sind Sie bei der Suche nach der Balance zwischen Tanz und Musik genau zwischen den Extremen angekommen?
Berger Myhre: De facto wechseln sie sich eher ab. Trotzdem bleibt der Eindruck einer gemeinsamen Mitte. Zumindest hoffen wir, dass das Publikum mehr das Zusammenspiel mitnimmt als ein Pendeln zwischen Polen.
Passage: Ich bin eigentlich Singer-Songwriter, mache aber auch Auftragskompositionen. Beim Film wollen sie oft einfach „etwas, das klingt wie Hans Zimmer“ oder „wie dieser U2-Song“. Tanz ist offener, interessanter, aber auch da komme ich in der Regel erst am Ende des Arbeitsprozesses dazu, schaue mir den Tanz an und vertone ihn. Hier haben wir von Null auf zusammengearbeitet und uns gefragt: Welche Musik kommt dabei heraus, und welcher Tanz?
Mehr im Falter 10/20