Schauspieler Itay Tiran ist der wichtigste Repräsentant des neuen Burgtheaters unter Martin Kušej. Jetzt inszeniert der israelische Schauspieler und Regisseur „Mein Kampf“, George Taboris Farce über den jungen Adolf Hitler
Als ihm das Burgtheater George Taboris Stück „Mein Kampf“ zum Lesen gab, traute Itay Tiran seinen Augen nicht: In der Farce über den jungen Adolf Hitler und seinen Mitbewohner Schlomo Herzl kommt der Ort vor, aus dem seine, Tirans, Großmutter stammt. Herzl legt Hitler die jüdische Herkunft von dessen Familiennamen dar: aus Mukatschewo in den Karpaten. Genau dort wurde Tirans Großmutter geboren. Nach Krieg und KZ, die sie mit viel Glück überlebte, landete sie in Schweden und wanderte dann, aus Schuldgefühlen gegenüber ihrer jüdischen Kultur, nach Israel aus.
Da liegt nahe, dass Tiran für seine Regiearbeit den Ansatz des Persönlichen wählt. „,Mein Kampf‘ ist sein Kampf, Taboris Kampf“, erklärt er. Taboris Vater kam in Auschwitz ums Leben. „Ich stelle mir vor, dass er, indem er sich in Schlomo Herzl hineinversetzte und diese fiktive Begegnung kreierte, das Trauma durch Humor bewältigen wollte.“ Am 9. Oktober ist Premiere, 33 Jahre nach der Uraufführung durch den Autor selbst. Tiran weiß, dass er in große Fußstapfen tritt, aber: „In Zeiten wie diesen braucht es sowieso das, was wir auf Jiddisch Chuzpe nennen.“
Am Burgtheater ist Tiran nicht nur Regisseur, sondern einer von mehreren Schauspielern nicht deutscher Muttersprache, die Direktor Martin Kušej mit seinem Amtsantritt 2019 ins Ensemble holte. Tirans viersprachige Eröffnungsinszenierung „Vögel“ symbolisiert, wie Kušej das Burgtheater idealtypisch versteht: als kulturellen Schmelztiegel, offen für Europa und die Welt. Unter den Ensemblemitgliedern genießt Tiran eine Sonderstellung. Bislang ist er der einzige Schauspieler, der am Haus auch inszenieren darf. Bei den Eröffnungspremieren der aktuellen Spielzeit saß er neben dem Direktor im Publikum.
Die anderen scheinen damit kein Problem zu haben. Rainer Galke, der mit ihm auf der Bühne stand und sich jetzt in „Mein Kampf“ von ihm inszenieren lässt, ist voll des Lobes: „Als Regisseur tut er alles dafür, dass die Spieler glänzen können. Als Kollege war ich begeistert von seinem geduldigen Insistieren darauf, den Kontakt zwischen Charakter und Form nie zu verlieren.“
Geduldiges Insistieren war nicht immer Tirans Sache. Ein Klavierstudium schmiss er hin, wusste dann lange nichts mit sich anzufangen. „Einmal sah ich mit meinem Vater ,Hamlet‘ im Fernsehen und sagte, ich könnte doch Schauspiel studieren.“ Der Vater, Grafiker von Beruf, meinte: „Warum nicht?“
Mehr im Falter 41/20