In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Einer seiner vielen Spitznamen ist „der Negus“. So hießen die Königskönige im alten Abessinien, auch Kaiser Haile Selassie in Äthiopien nannte sich so. So viel Selbstbewusstsein musst du als Kleingauner erst einmal haben. Requiem weiß, dass er in Wahrheit die Strippen zieht in diesem seltsamen, vermutlich afrikanischen Moloch Stadtland, dessen gesellschaftliches Zentrum die an den alten Eisenbahntrassen gelegene Bar „Tram 83“ ist. Der König des Nachtklubs ist der König aller Menschen.
Eigentlich ist dieser Requiem aber eine Art Möchtegern-Robin-Hood, der den Reichen nimmt und dann vergisst, den Armen zu geben. Ein Überlebenskünstler mit Gespür für wunde Punkte. Ein Free-Jazzer des Alltags. Einer, der die grotesken Regeln des „Tram“ so gut beherrscht, dass er sie mutmaßlich selbst erfunden hat: „Regel Nummer 46: Ficke am Tag, ficke in der Nacht, ficke und ficke, denn du weißt nicht, was der nächste Tag dir bringt“, „Regel Nummer 34, Hunger, Vorsicht!“ oder „Regel Nummer 67: Die Mächtigsten machen die Mächtigen fertig, die Mächtigen kacken den Schwachen in den Mund, die Schwachen sperren die Schwächsten weg, die Schwächsten gegeben sich gegenseitig den Rest und machen einander Beine.“
Natürlich ist auch „Requiem“ ein Alias für diesen alterslosen Mann, ebenso wie „Goldmine“ und „Obama“ und „Der Herr der Ringe“ und „Sohn der Nation“ und „Schwarzmarkt“ und „Fürstpropst von Berchtesgarden“ – eine ganze Seite nimmt die Liste seiner möglichen schmückenden Beinamen im gefeierten Romandebüt des kongolesischen Autors Fiston Mwanza Mujila (2014) ein.
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