Die Internationale Christine-Lavant-Gesellschaft arbeitet fleißig am Ruhm eines bisher zu Unrecht verkannten österreichischen Literaturgenies. Porträt einer großen Autorin und ihrer Fans
Schon ihr Gesicht wirkt wie nicht von dieser Welt. Aus großen, wachen Augen springen eindringliche Blicke hervor und fordern eine Bestätigung vom Gegenüber, dass das Gesagte auch angekommen ist. Christine Lavants einziger TV-Auftritt erfolgte 1968 im ORF-Schulfernsehen, eine Ausstellung im Wiener Literaturhaus zeigt ihn noch bis Ende September. Denkt man dann ihre Handbewegungen beim Rauchen, ihre Stimme und den Lavanttaler Dialekt rund um das nachgeschobene „Göö?“ mit ihrer Lyrik, ihrer punktgenauen Prosa zusammen, entsteht flugs das faszinierende Bild eines Genies.
Und doch: Christine wer? Dafür, dass die gebürtige Christine Thonhauser (1915–1973) eine der wichtigsten Autorinnen des Landes ist, kennen sie doch viel zu wenige. Selbst als anlässlich ihres 100. Geburtstages der ORF in ihrem Heimatort nach ihr fragte, wussten nicht alle, wer sie gewesen war. „Sie ist ein hidden champion“, erklärt Hans Gasser, Präsident der im November 2015 gegründeten Internationalen Christine-Lavant-Gesellschaft. Jüngst besuchte Gasser einen Lavant-Abend beim Mannheimer Literaturfest. Der Saal war voll, 300 Interessierte hatten sich eingefunden. „Ich habe ein bisschen herumgefragt“, schmunzelt Gasser, „Die meisten waren wegen Erika Pluhar da.“ Die bekannte Entertainerin las aus Lavants Werk. Aber so kann es funktionieren: wegen Pluhar kommen, Lavant mitnehmen.
Die flirrende Sprache der Ausnahmeliteratin aus dem Mund großer Stars, das ist eine der Maßnahmen, mit denen die Gesellschaft zeigt, dass Lavant leiwand ist. Ins Leben gerufen hat sie der wahrscheinlich größte Fan der Autorin: Hans Schmid, Unternehmer, Winzer und Eigentümer des Steffl. Seine Privatstiftung erwarb vor einigen Jahren die Rechte an Lavants Werken, um sogleich eine vierbändige Werkausgabe auf den Weg zu bringen. Außerdem bat er seinen Freund Gasser – wie Schmid durch seine Kärntner Herkunft mit Lavant verbunden –, einen Vorstand und einen literarischen Beirat für eine Verein zur Verbreitung des Lavantschen Œuvres zusammenzustellen. Die Namensliste kann sich sehen lassen: Im Vorstand finden sich Spitzendiplomat Wolfgang Petritsch und ORF-Journalist Martin Traxl, zu den Beiratsmitgliedern gehört Grande Dame der heimischen Literatur, Friederike Mayröcker.
Über hundert Mitglieder zählt der Verein heute. Hans Schmid fungiert selbst als eine Art Schirmherr, seine Stiftung sorgt (neben anderen) für die dauerhafte Finanzierung aller Aktivitäten. In der SKY Bar im obersten Stock des Steffl tagt seit 2016 jährlich die Jury des Christine-Lavant-Preises. Er ist neben der Vermittlung und Förderung von Theater-, Übersetzungs- und anderen Projekten das große Aushängeschild der Gesellschaft, mit der stattlichen Summe von 15.000 Euro zählt er zu Österreichs höchstdotierten Literaturpreisen.
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