Maß für Maß – Theatersommer Haag – Kaja Dymnicki und Alexander Pschill entführen mit einer Neuschreibung von Shakespeares Komödie in die beste aller möglichen Sommertheaterwelten
Haag, 3. Juli 2019. Als auf dem Haager Hauptplatz noch alle ihren Spritzer trinken und die Kennzeichen jener Autos durchgesagt werden, die die Feuerwehrzufahrt versperren, gibt es auf der Bühne schon einiges zu schauen. Vor einer Stoffwand mit idyllischen Holzhäusern nebst Kirche erstreckt sich ein Wildweststädtchen mit Puff/Saloon, einem Huhn auf dem Dach, einem Skelett am Piano, zwei lebenden Mariachi-Musikern und lobenswert flächendeckender Begrünung.
Wo sind wir hier? "Wien!" "Wie?" "-nnn." "Klingt wie eine unfertige Flatulenz." Aber Wien ist tatsächlich der Schauplatz für Shakespeares Problemstück "Maß für Maß". Hier, 150 km entfernt in Haag, ist die Hauptstadt in eine postmoderne Zeitlosigkeit versetzt.
Tour nach Niederösterreich
Haag, im Westen Niederösterreichs gelegen, hat 5500 Einwohner*innen und ein Sommertheaterfestival. Als Intendant amtiert seit 2017 der aus dem ORF bekannte Schauspieler Christian Dolezal. Zum Einstand gab er den "Don Quijote" in einer soliden Inszenierung von Stephanie Mohr, mit der das Publikum aber nicht recht glücklich wurde. Im Jahr darauf sattelte er auf Shakespeare um und landete mit einem neuen Regieteam einen Riesenerfolg, den er diesen Sommer wiederholen möchte. Und wird.
Denn das Regieteam hat es in sich. Der Schauspieler Alexander Pschill (vormals Theater in der Josefstadt) und seine Partnerin Kaja Dymnicki führen seit 2016 das kleine Bronski & Grünberg Theater in Wien, wo sie und Freund*innen ohne nennenswerte Förderungen und hauptsächlich mit anderswo fest angestellten (daher nicht auf angemessene Gagen angewiesenen) Schauspieler*innen bekannte Stoffe (zuletzt "Schuld und Sühne") durch den Boulevard-Wolf drehen, aber nicht persiflieren. Dialogwitz, Situations- und Körperkomik, aber auch Philosophie wechseln sich so rasant ab, dass, wer eine Pointe nicht mitgekriegt hat, dafür bestens auf die nächste vorbereitet ist. Das Konzept kommt nun in Haag zum Einsatz, und siehe da, es funktioniert auch mit breiter Bühne, mikroportierten Spieler*innen und achtmal so viel Publikum.