Jugend ohne Gott – Salzburger Festspiele – Thomas Ostermeier inszeniert Ödön von Horváths Roman wie vom Blatt
Salzburg, 28. Juli 2019. Die erste Frage an jede zeitgenössischen Bearbeitung von Ödön von Horváths Roman "Jugend ohne Gott" aus 1937 lautet: Wie geht sie mit dem N-Wort um? Es taucht im Buch oft auf, als roter Faden und per se ohne herabwürdigende Absicht. Erst muss der Lehrer einem seiner Schüler erklären, die N. seien "auch Menschen", was ihm Beschwerden von dessen Vater einträgt. Aufgrund der Episode wird die Klasse den Lehrer fortan heimlich "den N." nennen.
So kennt man das aus den alten Filmen
Regisseur Thomas Ostermeier und Dramaturg Florian Borchmeyer haben sich entschieden, in ihrer Inszenierung für Salzburger Festspiele und Berliner Schaubühne das Wort "Afrikaner" zu verwenden. Und siehe da, es funktioniert. Problemlos, ohne Abstriche. Im Gegenteil, der postrassistische Eingriff macht die Bezeichnung sogar inhaltlich akkurater, da sie ausgehend von einer Erdkundestunde nicht so sehr schwarze Hautfarbe als Bewohner*innen der Kolonien in Afrika beschreibt.
Es bleibt dies der modernste Zugriff an diesem Abend. Selbst der Beginn, wenn Jörg Hartmann in schwarzem T-Shirt und schwarzer Hose, also vermeintlich noch als er selbst, der neutrale Schauspieler, die Bühne betritt und feierlich erklärt, er verdanke Adolf Hitler ... Nachdenkpause ... alles, dann ist das erst recht ein Zeitdokument: Der Originalbrief eines deutschen Arbeiters an den Führer 1935 soll uns in die Entstehungszeit des Romans beamen. Bis zu dieser Auflösung wird Hartmann von seinen Kolleg*innen zum Dreißigerjahre-Lehrer umgezogen. Brauner Dreiteiler mit Krawatte, dazu Schüler in absurd kurzen Hosen: So kennt man das aus den alten Filmen.
Der Abend strahlt eine Seelenruhe aus
Und dann folgt eine handwerklich blitzsaubere Wiedergabe dieses zeitkritischen, bitteren und packenden Romans wohl mit den Mitteln des heutigen Theaters, aber ohne dessen politischen Durchsetzungsanspruch. Eine Kulisse aus kahlen Bäumen im Hintergrund lässt vorn Platz für rasch reinrollende Requisiten, schafft aber auch Struktur für Lichtstimmungen, wenn ein Strahl durch die Äste scheint oder die Videokamera den Blick eines Schauspielers erhascht, der auf das Zelt im Vordergrund projiziert wird. Die sieben Ensemblemitglieder rund um Hartmann, die jeweils drei bis neun Nebenrollen einnehmen, wechseln Kostüme wie geschmiert, teils auf der Bühne, ohne Hektik. Darin strahlt der Abend eine Seelenruhe aus, in der sich das Kontemplative des Lehrers widerspiegelt.