Brüderlein fein – Raimundfestspiele Gutenstein – Die Uraufführung von Felix Mitterers biografischem Schwank über den Volksstücke-Schreiber Ferdinand Raimund
Gutenstein, 11. Juli 2019. Vor 200 Jahren müssen Schauspieler*innen schon ziemlich furchtbare Schmiere betrieben haben, aus heutiger Sicht jedenfalls. Das ist eine Nebenerkenntnis der Uraufführung "Brüderlein fein", die bei den Raimundspielen Gutenstein das Leben des nach Johann Nestroy zweitbekanntesten Vertreters des Altwiener Volksstücks Ferdinand Raimund nachzeichnet. Und es dürfte schon was dran sein: Das rollende R, die große Geste, die übertriebene Emotion und das "Extemporieren", das wollten die Leute damals. Sehr erfreulich, dass sich das heute geändert hat. Die "echten" setzen sich von den Stück-im-Stück-Szenen doch angenehm ab.
Neigung zum Märchenhaften
Wie Nestroy war Raimund (1790–1836) zuerst Schauspieler. Ihre Schreibkarrieren begannen beide mit allegorischen Geschichten aus der Feenwelt. Während bei Nestroy Wortwitz und Gesellschaftssatire mit der Zeit überwogen, blieb Raimund in seinem Wirken dem Märchenhaften gewogen, vom "Barometermacher auf der Zauberinsel" bis zum "Verschwender". Aber – auch das wird jenen Österreicher*innen, deren Deutschunterricht schon länger her ist, hier in Erinnerung gerufen: Raimund war zuerst da.
Auch persönlich schwebte der Mann wohl in anderen Sphären, die man heute aber weniger als Esoterik denn als Neigung zum Manisch-Depressiven bezeichnen muss. Mit 46 schoss er sich in den Mund, in der festen – und falschen – Überzeugung, ein Hund habe ihn mit Tollwut infiziert. Im niederösterreichischen Gutenstein wird seit 1993 (mit Unterbrechung) jeden Sommer ein Stück von ihm in einem Zelt auf einer Wiese aufgeführt. Für dieses Jahr hat sich Andrea Eckert, die aktuelle Prinzipalin der Raimundspiele, etwas Besonderes ausgedacht: ein Stück über Raimund selbst.
“Man möge sich an der damaligen Ausstattungspraxis orientieren"
Den Auftrag zu "Brüderlein fein" erteilte sie dem seinerseits als Volksstückeautor sowie Routinier im Genre biografisches Drama geltenden Tiroler Felix Mitterer ( "Jägerstätter"). Der schreibt auch TV-Drehbücher, kennt die Regeln der Spannungsdramaturgie und liefert auch hier wieder einen Mix aus Gelehrigkeit und Unterhaltung, Drama und Historie. Von Anfang an lässt er Raimund mit einem Handschuh von Hundsvieh herumlaufen: Das böse Ende wirft seine Schatten voraus. Auch mehr als passend ist, dass Mitterer die Biografie seines Helden mit einer hanebüchenen Zaubergeschichte rahmt. Eine Nymphe und eine Fee in unerträglich prachtvollem Kleide statten den armen Zuckerbäckerssohn mit Begabung aus – symbolisiert durch Goldglitzerstaub natürlich.