In Haag spielt Florian Carove einen sich aus der Verantwortung stehlenden Bürgermeister
Vor 13 Jahren erhielt Florian Carove (Jahrgang 1975) eine Nestroynominierung als bester Nachwuchs, aber keinen Nestroy. Und keine besseren Rollenangebote. Der Mann, der nie etwas anderes sein wollte, als Schauspieler, nahm seine Französischkenntnisse aus dem Wiener Lyçée und folgte einer Liebesbeziehung nach Paris. Dort baute er eine sehenswerte Karriere auf, um 2017 – teils, teils – wieder zurückzukehren. Jetzt ist er zur Gänze wieder da und macht sogar wieder gerne Sommertheater. Denn in „Maß für Maß“, wo er den Bürgermeister eines „wilden, kleinen Städtchens“ spielt (im shakespeareschen Original: Wien), darf er mit seinem aktuellen Lieblingsregieteam zusammenarbeiten: Alexander Pschill und Kaja Dymnicki vom seit drei Jahren erfolgreichen Bronski & Grünberg Theater am Alsergrund. Beim Theatersommer Haag hat „Maß für Maß“ am Mittwoch Premiere.
Falter: Herr Carove, was ist das Besondere an der Arbeit mit Pschill & Dymnicki? Er macht die Hauptregie, sie bespricht sich mit ihm, schreibt die Texte und konzipiert die Bühnenbilder.
Florian Carove: Die meinen einen. Sie meinen dich als Mensch und als Schauspieler, und sie mögen grundsätzlich mal, was du tust. Das sollte eigentlich eine Grundvoraussetzung sein, ist aber bei vielen nicht so. Alexander Pschill, mit dem ich seit Josefstadt-Zeiten befreundet bin, hat eine Energie, die ich teile. Und er hat mir schöne Rollen gegeben, als ich aus Paris zurückkam – was nicht selbstverständlich ist. Obwohl er sehr viel mit Slapstick arbeitet, schafft er eine große Poesie. Er lässt einen extreme Dinge tun – wie zuletzt in meiner Rolle als Untersuchungsrichter in Dostojewskis „Schuld und Sühne“ im Bronski –, aber dann entsteht plötzlich ein Punkt der totalen Wahrheit. Ich fühle mich bei ihm hundertprozentig frei.
Ändert sich etwas dadurch, dass das alles – wie jetzt bei „Maß für Maß“ – nicht in Wien 9, sondern auf dem Hauptplatz der Stadt Haag stattfindet?
Carove: Na ja, es ist schon ein bisschen wie Urlaub. An der Arbeit selbst ändert sich aber nichts. Alexander ist genauso besessen und genau. Nachher sitzt man halt bei guter Luft zusammen. Letztes Jahr haben wir dort „Was ihr wollt“ gespielt, das war ein riesiger Erfolg, aber ich verspüre nicht den Druck, dass wir uns deshalb mit diesem durchaus komplexen Stück kommerzieller ausrichten müssen.
Was darf man sich von dem Bürgermeister erwarten, den Sie spielen?
Carove: Der Bürgermeister – bei Shakespeare ist es der Herzog – übergibt die Amtsgeschäfte seinem Stellvertreter Angelo, bleibt aber in Wirklichkeit da und beobachtet ihn heimlich. Obwohl „Maß für Maß“ weder eine Komödie noch eine Tragödie ist, arbeiten wir viel mit Akzenten und sehr komödiantisch, aber immer aus einer inneren Not der Figuren heraus. Es geht in dem Stück um Macht, um moralische Verantwortung und die Überschreitung von Grenzen. Was passiert, wenn man sich aus einer Verantwortung zieht?