Narziss und Echo – Wiener Festwochen – David Marton und sein Team erzählen Ovids Metamorphose als Auftakt ihrer "Road Opera"-Produktionen
Wien, 14. Juni 2019. Der Anfang folgt dem Titel der Festwochen-Frühabendpremiere: missing people. Während allmählich das Saallicht gedimmt wird, weht Operngesang von irgendwoher, brandet im Hintergrund ein leises Wummern auf, klimpert ein Glockenspiel. Wenn dann noch langsamer ein paar Deckenlampen und Neonröhren angehen, ist Zeit, das verspielte Bühnenbild von Christian Friedländer zu studieren: Drei ganze und zwei halbe Kuben sind da, die Drehtüren darin mit transparenten Farbfolien bespannt. Sie bergen kleine Universen: einen Dschungel aus Topfpflanzen etwa, einen traurigen Souvenirshop, in dem sogar der Postkartenständer leer ist, einen Einkaufswagen, in den ein ganzes Obdachlosenleben passt. Die fünf Menschen, einer für jede Kabine, tauchen erst auf, wenn Klang und Bild voll zur Geltung gekommen sind.
Auf Latein
Es ist dies der erste Abend von David Marton und seinen Wegbegleiter*innen unter dem Label "Road Opera". Der aus Ungarn stammende Regisseur kommt aus der Marthaler-Schule. An den Münchner Kammerspielen gestaltete er neben etlichen Inszenierungen die musikalische Late-Night-Schiene "Sleepwalkers Improvisation Club". Mit den dort regelmäßig vereinten Improvisateur*innen will er fortan ganz offiziell und in freien Arbeitszusammenhängen Abende entwickeln. Das erste Exemplar "Narziss und Echo" ist eine Produktion des Théâtre Vidy-Lausanne, feierte seine Uraufführung aber im Rahmen der Wiener Festwochen in der Halle G im Museumsquartier.
Neben dem Bühnenbild stand dabei nur Text aus Ovids "Metamorphosen" von Anfang an fest. Im passend nerdigen Pollunder, mit Brille und Dreitagebart kommt es dem Pianisten Michael Wilhelmi zu, die ersten Worte der Geschichte von Narziss und Echo zu rezitieren – auf Latein. Andere Kolleg*innen werden später nach Belieben deutsch, englisch oder französisch weitererzählen, Übertitel schaffen Klarheit.