Idomeneus – Landestheater Linz – Bérénice Hebenstreit bedient mit Roland Schimmelpfennigs mythologischem Vater-Sohn-Drama die Theatertrickmaschine
Linz, 13. April 2019. Da liegen sie in großen Schubladen, hart beleuchtet und starr, wie tote Käfer in der Vitrine oder archivierte Dokumente. Von Anfang an beweisen die sieben Studierenden der Anton-Bruckner-Universität Disziplin, während das Publikum gar langsam ins Studio der Kammerspiele des Linzer Landestheaters tröpfelt. Zehn Minuten dauert es, bis sie erstmals aus den Laden auf die Laden, die Mira Königs durchaus originelles Bühnenbild sind, klettern dürfen.
Gang in die griechische Mythologie
Sodann entschubladisieren sie auch einen zehn Jahre alten Text: Roland Schimmelpfennigs"Idomeneus" ist ideal für Abschlussaufführungen Schauspielstudierender, ist er doch vorgesehen für "eine Gruppe von etwa zehn bis vierzehn Männern und Frauen. Es können auch mehr oder weniger sein." Diese Gruppe spinnt Gedankenspiele rund um den Mythos des Kreterkönigs, der auf dem Heimweg aus Troja dem stürmischen Poseidon versprach, ihm das erste Wesen zu opfern, das ihm an Land begegnen würde. Dieses sollte sich als Idomeneus' eigener Sohn Idamantes herausstellen, der zu dieser Zeit gerade in Elektra verliebt war. Elektra, deren Schwester Iphigenie zu Kriegsbeginn ihrerseits vom Vater geopfert wurde und die dann ihre Mutter ... komplizierte griechische Mythologie eben.
Schimmelpfennig schrieb das Stück als Prolog zu einer Inszenierung der Mozart-Oper "Idomeneo" anlässlich der Wiedereröffnung des Cuvilliés-Theaters in München. Unfreiwillig historische Bedeutung erlangte das Stück, weil es Jürgen Goschs letzter Arbeit vor seinem Tode zugrunde lag. Dass diese neuerliche Premiere von Interesse ist, liegt hauptsächlich an der Regisseurin: Bérénice Hebenstreit, Jahrgang 1987, ist derzeit in Österreich eine führende Aktivistin für Veränderungen im Zuge von #MeToo und Pro Quote Bühne. In Interviews fordert sie würdige Arbeitsbedingungen, mit dem Format "Die Spielplan" entlarvt sie den unbefriedigenden Anteil an Autorinnen, Regisseurinnen und substanziellen Frauenrollen an den Theatern des Landes.