In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Zhu Bajie ist bei weitem nicht das böseste Wesen, das dem Mönch Tang Seng auf seiner „Reise in den Westen“ begegnet. Die Liste zu besiegender Dämonen ist endlos. Ja, die wunderschön aufbereitete Neuausgabe des populärsten der vier klassischen chinesischen Romane in der kommentierten Übersetzung von Eva Lüdi Kong liest sich, als nähme man an einem sehr, sehr, sehr (über 1300 Seiten) langen Rollenspiel teil – nur ohne Würfel, dafür mit vielen Versen, Fußnoten und Zeichnungen. Unter den Guten, den „Helden“ in dem Text eines gewissen Wu Cheng’en aus dem 16. Jahrhundert ist der Eber mit den acht Abstinenzen, wie sein Name sich übersetzt, aber auf jeden Fall der liederlichste.
Acht gibt er zwar hin und wieder, aber Abstinenz ist eben gerade nicht seine Stärke. Stattdessen ist er gefräßig, gamsig und faul. „Zum Glück ernährt er sich rein pflanzlich, würden Fleisch und Alkohol dazukommen, wäre unser Vermögen längst dahin!“, heißt es einmal über ihn. Doch Vegetarismus schützt auch bei vermeintlichen Allesfressern nicht vor Schurkentum: Wegen sexueller Belästigung einer Göttin wurde Zhu seines Postens als Marschall des Himmelsflusses enthoben. Nun stellen ihn die Götter gemeinsam mit einem Affen, einem Oger und einem Pferd dem westwärts wandernden Mönch zur Seite. So sollen diese animalischen Wesen Abbitte für ihre Sünden leisten – was sie eh tun, aber gerade der Eber Bajie würde aus dem Abbüßen meistens am liebsten ausbüxen.
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