Hunger – Frank Castorf bedient sich bei den Salzburger Festspielen bei zwei Romanen von Knut Hamsun
Salzburg, 5. August 2018. Einen Monat nach seinem SZ-Gemecker über Regisseurinnen und Frauenfußball bringt Frank Castorf einen Knut-Hamsun-Abend mit dem Titel „Hunger“ heraus. Sowohl der gleichnamige Debütroman des norwegischen Literaturnobelpreisträgers als auch die Fortsetzung „Mysterien“ handeln von missverstandenen egomanischen männlichen Künstlerfiguren. Selbstmitleid? Koketterie?
Frauenfeind UND Nazi!
Die Salzburger Festspiele bieten ihm diesbezüglich jedenfalls einen geschützten Rahmen: Fußballgate hat hier kaum wer mitbekommen, zudem bezahlt dieses Publikum so viel für Karten, dass es zwar in der Pause geht (und davor! und danach!), aber kein Interesse hat, sich am allgemeinen Diskurs über Regiezampanos zu beteiligen. Wenn Castorf also dem zwar talentierten, aber nervösen Teenager Rocco Mylord einen Monolog darüber in den Mund legt, dass die großen Genies überbewertet seien, applaudieren die Festspielgäste, weil der Junior das so toll gemacht hat, nicht wegen des Inhalts.
Und dann frönt Castorf wieder einmal seiner Vorliebe für Dichter auf politischen Abwegen: Hamsun „war nicht nur Frauenfeind, sondern auch Nazi“, wird seine Konzeptionsrede im Programmheft zitiert (dessen Lektüre lohnt sich übrigens – auch wegen eines vergnüglich themenverfehlten Auftragstextes von Wolfram Lotz). Aleksandar Denić hat denn in seinem gewohnt multiintegralen Bühnenbild auf der Pernerinsel in Hallein auch überall Plakate und Nazisymbole versteckt. Um die potenzielle Empörung darüber vorbeugend durch den Kakao zu ziehen, lässt Castorf zu Beginn alle erschrocken: „Swastika! Swastika!“ schreien, als hätten sie eine Spinne gesehen.
Darüber hinaus fasst Denićs Holzhäuschen mit Grasbepflanzung auf dem Dach ein altmodisches Büro, eine Dachkammer, eine perfekt nachgebaute McDonald’s-Küche (wo es aber nix zu essen gibt) und eine Art 19.-Jahrhundert-Garage. Selbstverständlich auch zwei Videowände für Live-Großaufnahmen, die ästhetisch verspielt auf ein düsteres Noir-Feeling abzielen, ja manchmal an Vampirfilme erinnern, etwa wenn der Hunger so schlimm wird, dass er den Biss in den eigenen Finger bedingt. Castorf will Stimmung machen, so scheint es, eine karge, düstere. Aber dazu wird einfach zu viel geredet.