Choreograf Ludvig Daae über die Nobelpreis-Ehren seiner Performance „Dance to Dance to“
Eine Variante von „Dance to Dance to“ durfte der norwegische Choreograf Ludvig Daae vergangenes Jahr beim großen Abendessen der Nobelpreisträger vorführen – unter grotesken Auflagen der Organisatoren. Jetzt gastiert Daae mit der gut gelaunten Disco-Goldglitzer-Nummer beim Imagetanz-Festival des Wiener Brut. Diese wird noch witziger, wenn der Künstler die Hintergründe seiner Arbeit erklärt.
Falter: Herr Daae, Sie zeigen erstmals eine Choreografie in Österreich. Was ist an „Dance to Dance to“ typisch für Sie, und was ist neu?
Ludvig Daae: Für mich ist es ungewöhnlich, erstmals nicht selbst auf der Bühne zu stehen. Normalerweise ist meine Arbeit viel enger mit meinem Körper verbunden. Aber in der Leichtigkeit, im Humor und in den popkulturellen Bezügen erkennt man mich wieder.
Wer die Aufführung ohne Vorkenntnisse besucht, sieht einfach ein unterhaltsames Tanzstück zu Discomusik. In den Ankündigungstexten verweisen Sie jedoch auf ein angebliches Vorbild: die gleichnamige Choreografie einer mexikanischen Choreografin aus dem 18. Jahrhundert.
Daae: Ich komme ursprünglich vom Ballett, und wenn ich tanze, egal wie zeitgenössisch, dann sieht man mir das an. Die Leute sagen: Wow, du hast Ballett gelernt! Diese Hochachtung vor einer Ballettausbildung hat mich immer schon ein bisschen genervt. Warum gilt Ballett immer noch als Inbegriff der Hochkultur im Tanz? Ich wollte zeigen, wie beliebig das ist, denn es hat rein historische Gründe. In der Renaissance war Ballett ein höfischer Gesellschaftstanz in den Schlössern des Adels. Deshalb wird heute in prunkvollen Opernhäusern vor hauptsächlich weißen Zuschauern für viel Geld Ballett getanzt.
Aber Moment, bei Ihnen geht es doch um Discotanz.
Daae: Ich dachte mir also: Was, wenn dieser hochkulturell anerkannte Gesellschaftstanz nicht Ballett wäre, sondern etwas anderes? Ich entschied mich für Disco, weil das eine sehr prägnante Tanzform ist, die wenig mit Geschlechterstereotypen arbeitet. Ich entwarf eine seltsame Parallelwelt, wo bei Hof im 18. Jahrhundert nicht Ballett getanzt wurde, sondern 70er-Disco. Dazu schrieb ich seitenlang die Tanzgeschichte neu, erfand prägende Choreografen. Dann fragte ich: Wenn zeitgenössischer Tanz eine Antwort auf Ballett ist, wie sähe die moderne Antwort dann in meiner Welt aus? Ich wählte die mexikanische Choreografin Esmeralda Vasquez als Vorbild und erarbeitete ein Remake ihres großen Klassikers aus dem Jahr 1783, des „Schwanensee“ im Disco-Universum.
Mehr im Falter 12/18
In der gedruckten Falter-Ausgabe leider irrtümlich vergessen wurde die folgende Info: Aufführungsbesuch und Gespräch mit Ludvig Daae in Oslo erfolgten auf Einladung des Brut Wien.