In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Wolfgang Hildesheimer ist ein zu Unrecht vergessener Autor. Er schrieb wortreiche Dramen, die nie aufgeführt wurden, Hörspiele, die rasch verhallten, und auch jede Menge Prosa, vor allem Erzählungen. Der Hamburger gehörte der Gruppe 47 an und wurde vom Glanz anderer Mitglieder wie Günter Grass oder Ingeborg Bachmann überstrahlt.
Zumindest der Schalk, der ihm im Nacken saß, hat die dritte Reihe nicht verdient. Schon mit Hildesheimers allererstem Roman 1953 muss sich der Verfasser einen Lidkrampf vor lauter Augenzwinkern zugezogen haben. „Paradies der falschen Vögel“ versammelt eine Riege an voneinander Lug und Trug lernenden Hochstaplern (lauter Männern – die Frauen sitzen leider eher verschreckt und schutzbedürftig oder lüstern mit Geld um sich werfend daneben). Der falscheste Vogel ist Robert Guiscard, Onkel des eloquenten Ich-Erzählers Anton Velhagen und wie dieser ein begnadeter Maler. Im Gegensatz zu Velhagen verdingt sich Guiscard jedoch als Fälscher. Er fälscht alte Meister, oft im vollen Bewusstsein und sogar im Auftrag seiner Kunden, die dann stolz damit prahlen können, einen Rubens bei sich hängen zu haben. Manchmal fälscht er sogar alte Meister, die es gar nicht gegeben hat.
Der Onkel weiß, was er tut: Er kitzelt den angeborenen Betrüger aus seiner Kundschaft heraus.
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