Dantons Tod – Alia Luque inszeniert Büchner in St. Pölten als symbolischen Gang auf die Barrikaden
St. Pölten, 15. September 2017. Auch in Österreich herrscht Wahlkampf. Bis 15. Oktober erläutern Politikmenschen mithilfe aller erdenklicher Medien in mehr oder weniger geschliffenen Phrasen, warum was gut war oder wäre oder was die anderen schlecht gemacht haben. Argumente fliegen durch die Gegend und aneinander wie am Wahlvolk vorbei. Obwohl es in Alia Luques Fassung von Georg Büchners Historienstück "Dantons Tod" an einer Stelle heißt: "Siehst du hier irgendwo Volk?", läuft das hier ganz ähnlich ab, nur dass anno 1789 Enthauptungen noch ein heiß diskutiertes Pro-oder-Kontra-Thema waren.
Blaumann im Museum
Büchners eng an der Chronik der Französischen Revolution orientiertes Drama hat Regisseurin Luque entdramatisiert und auf seine Thesen, Ansprachen und Argumente reduziert. Im Vorjahr hat die in Barcelona geborene Luque am Landestheater Niederösterreich Grillparzers Trilogie "Das goldene Vlies" mit Minimalensemble erzählt. Auch für "Dantons Tod" hat sie fünf Spieler*innen zur Verfügung, die auch noch, so will es das Konzept, austauschbar bleiben.
In Blaumänner gekleidet betreten sie eingangs den von weißen Wänden begrenzten Bühnenraum und machen ihn als Museumshalle kenntlich, indem sie auf Leitern steigen und das berühmte Delacroix-Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" aufhängen. Das Bild zeigt einen Barrikadenkampf in Paris 1830 und verbindet somit die erzählte Epoche mit der Gegenwart des Autors (das Stück entstand 1835). Das ergibt dennoch eine etwas schiefe Optik, hatte man doch gehofft, die spätestens nach ihrer Uraufführung "die hockenden" am Wiener Burgtheater als vielversprechend geltende Regisseurin würde den Stoff aus dem Musealen ebengerade befreien.
Danton muss weg
Dann hebt auch noch Geigenmusik aus dem 18. Jahrhundert an, die bis zur Pause nicht enden und nachher wieder einsetzen wird. Die fünf Blauen überlagern die Streicher mit abwechselnd aneinander und ans nicht vorhandene Volk gerichteten Worten über Gott und die Welt. In den Büchner mischen sich dabei Texte von Louis Aragon, Rodrigo Garcia, Heiner Müller und Francis Picabia, aber auch flapsige Diskussionsübergänge wie "Tschuldigung, das kannst du doch bitte so jetzt nicht sagen."
Und hier geht's zu meiner Kritik des Abends in der Wiener Zeitung.