Die Sommertheatersaison beginnt. Einen künstlerischen Akzent könnte die Schauspielerin Veronika Glatzner setzen, die bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf kurzfristig die Regie übernahm
Der Zeitplan von Veronika Glatzner ist derzeit durchgetaktet. Einerseits führt sie Regie bei einem renommierten Sommertheaterfestival, was sie erst seit wenigen Wochen weiß. Andererseits ist sie seit vier Monaten Mutter, und das Baby gibt ihr seinerseits klare Regieanweisungen.
Für „Minna von Barnhelm“ hatte der Intendant und Regisseur der Sommerspiele Perchtoldsdorf, Michael Sturminger, seine Stammspielerin der letzten Jahre erstmals nicht besetzt, mit Hinblick auf ihre neue Mutterschaft. Sie muss also Zeit haben, dachte er wohl, als er überraschend von den Salzburger Festspielen mit der Neuinszenierung des „Jedermann“ beauftragt wurde. Er überließ der frischgebackenen Mutter für diesen Sommer den Perchtoldsdorfer Regiesessel.
Davon abgesehen, dass der 1980 geborenen Wienerin verständlicherweise alles manchmal zu viel wird und ihr vor lauter Stress ein Tinnitus durch die Ohren saust, macht diese Besetzung Hoffnung. Glatzner könnte im künstlerisch sonst eher unspannenden Feld des außerstädtischen Sommertheaters einen Akzent setzen. Hier, im Sommertheater, knallen normalerweise eher die Sektkorken vor und nach der Vorstellung als die Türen währenddessen, hochpreisige Unterhaltung darf als Hochkultur missverstanden werden, und dieselben Schauspieler, die unterm Jahr überdacht und inszenatorisch gebändigt zu sehen waren, dürfen sich unter freiem Himmel enthemmt dem Drang zur Schmiere hingeben. Das ganze Jahr haben sie in Ensembles geschuftet, und statt auf Urlaub zu fahren, machen sie das sommerliche Engagement zu einem solchen.
Am erfolgreichsten sind die Sommertheater-Intendanten, die gar nicht versuchen, Anspruch zu behaupten, etwa Adi Hirschal mit der Saunarevue „Heiß“ in Laxenburg oder einem Figaro-Verschnitt im Lustspielhaus. Da ist es schon erfrischend, wenn eine die Regiezügel anlegt, die das zwar erst einmal gemacht hat, aber mit vollem Erfolg. Im vergangenen September hat Veronika Glatzner mit einem durchwegs experimentellen Regiedebüt auf sich aufmerksam gemacht. Ihr Abend „K.s Frauen“ war eine kluge und intensive Auseinandersetzung mit Franz Kafkas Romanfragment „Der Proceß“. Vier großartige Darstellerinnen präsentierten einzelne Dialoge aus dem Text in verschiedenen Zimmern einer leerstehenden Wiener Innenstadtwohnung mit seit den Siebzigern unveränderter Einrichtung.
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