Liebesgeschichten und Heiratssachen – Nestroy as Nestroy can mit Georg Schmiedleitner und den All-Stars des Burgtheaters Wien
Wien, 13. April 2017. Alle paar Spielzeiten muss ein Nestroy her, in jedem großen Sprechtheater in Österreich. Schließlich will man Publikum, und fürs heimische Publikum en gros sind die Possen aus der Zeit des Vormärz das Non plus ultra: weise und witzig, ohne in die Tiefe zu gehen, immer jugendfrei und mit diesem Tonfall zwischen "tiafem" Slang und poliertem Bühnendeutsch. Österreichische Schauspieler (kaum *innen), die in Nestroy-Hauptrollen glänzen, verteidigen so das Terrain gegen die Deutschen, derer es ja im Theater eh viel zu viele gebe. Die Plots, in denen gierige wie gütige Menschen ihr Lebensglück suchen, halten jedem Regiekonzept stand – zumindest will das Wiener Publikum das gewusst haben. Wehe, jemand lässt sich zu viel einfallen! Als der deutsche Regisseur David Bösch textliche Eingriffe in den "Talisman" des großen Johann Nepomuk wagte, jagte ihn der Großteil der Kritik, wie man in Wien sagt, mit einem nassen Fetzen davon.
Georg Schmiedleitner aus Linz passiert so was nicht. Was er sich an konzeptueller Energie erlaubt, fließt ins rein Ästhetische. An der Burg inszenierte er 2001 legendär erfolgreich den "Zerrissenen" mit Karlheinz Hackl, die Premiere fand drei Tage nach dem 11. September statt. Ein sich traurig drehendes Karussell im Neonlicht ist von diesem Abend noch vage in Erinnerung. Es hat sich wohl in "Liebesgeschichten und Heiratssachen" herübergerettet, obwohl statt Katrin Brack diesmal Volker Hintermeier die Bühne verantwortet. Man stelle sich vor, ein ausgeflippter Architekt hat das alte Prater-Teil zu einer Outdoor-Bar umgebaut und mit einem rotierenden Kitschherz gekrönt. Zu ebener Erde schenkt ein abgerocktes altes Wirtsehepaar (Peter Matic und Elisabeth Augustin) Schnäpse aus, im ersten Stock wohnt das Streichquintett, das die Handlung schwungvoll begleitet.