In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
In diesem Fall kann ich wirklich nichts dafür. Als „Das Buch der Schurken“ Ende 2015 fertig wurde, lag Hanya Yanagiharas zweiter Roman „A Little Life“ samt dem richtig, richtig bösen Bruder Luke zwar schon auf den Ladentischen in jenem Obama-Amerika, das die Autorin ganz nebenbei beschreibt. Bis in unsere Breiten war bis dahin aber nur sein Ruf durchgedrungen, denn 720 dicht bedruckte Seiten müssen erst einmal übersetzt werden. Als „Ein wenig Leben“ schließlich mit 960 Seiten herauskam (Stephan Kleiner hatte die Translationslast für Hanser gestemmt), war es Jänner ’17 und Obama Geschichte, und nicht nur das gab den Lesern zu heulen. Es war auch der Urbösewicht.
Dieses Buch ist das Herzzerreißendste, was die Gegenwartsliteratur zu bieten hat. Das liegt in erster Linie an den vielen guten Menschen darin und am bitteren Scheitern der Hauptfigur Jude, ihre bedingungslose Liebe zu akzeptieren. Sogar den zynischsten aller Literaturkritiker, Ijoma Mangold von der „Zeit“, rührte Yanagiharas Emotionalität und nicht-heteronormative Selbstverständlichkeit. Mangold ließ sich aber auch zu der Erkenntnis hinreißen: „Es gibt das Böse.“
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