Lässt sich Tanz erleben, wenn man nichts sieht? Simon Mayers Erfolgsstück „Sons of Sissy“ gibt es auch in einer Fassung für Sehbehinderte
Ein fast leerer Raum mit Tanzboden. In einer Ecke warten einige Requisiten auf ihren Einsatz: ein Hocker, eine Ratsche, zwölf Kuhglocken, eine Eisenkette, dazu eine kurze und eine lange Peitsche und einige Musikinstrumente von Geige bis Kontrabass. Valérie Castan führt eine Gruppe von Menschen durch den Raum, beschreibt die Gegenstände, die Besucher tasten sie ab. Jeder von ihnen hat irgendeine Art von Sehbehinderung, die meisten sind völlig blind. „Und jetzt drehen sich mal um ihre eigene Achse!“, fordert Castan die Teilnehmer auf.
Heftiges Herumwirbeln ist ebenso wie das endlose Marschieren im Kreis ein prägendes Element der Tanzperformance „Sons of Sissy“ mit dem oberösterreichischen Choreografen Simon Mayer und drei tanzenden Kollegen. Die Performance tourt seit ihrer Premiere im April 2015 sehr erfolgreich durch ganz Europa, im Juli wird sie erneut beim Impulstanzfestival präsentiert. Finanziert durch ein EU-Projekt, an dem Institutionen aus vier Ländern beteiligt sind, hat Valérie Castan den Auftrag erhalten, eine Fassung von „Sons of Sissy“ für Blinde und Sehbehinderte zu erstellen. Dazu gehört eine begleitende Audiodeskription über Kopfhörer, aber auch die erwähnte „visite tactile“ oder „Touch Tour“, bei der das Publikum die anstehende Aufführung direkt ins Körpergefühl übernimmt.
Mehr im Falter 28/16