Das Wetter vor einem Jahr
Brenner ermittelt wieder auf der Leinwand. Der WIENER war am Set zu Besuch, sah aber auch den Film vorab. Ein Wetterbericht
München, Ostern 2014, Nacht. Kalt ist es, Josef Hader sitzt in seinem Trailer und erzählt von der Zusammenarbeit mit dem Brenner-Team bei der neuesten Wolf-Haas-Verfilmung „Das ewige Leben“. Er sieht ein bisschen fertig aus, was wohl damit zusammenhängen mag, dass sein Kopf einbandagiert ist, das Blut schlägt noch durch. Eine heftige Wunde muss es sein: ein Kopfschuss. Zum Glück ist alles nur Film. Da sitzt er also, höflich und müde, der Josef Hader, und berichtet, dass er – wie üblich – mit Regisseur Wolfgang Murnberger und Romanautor Haas das Drehbuch mitgestaltet hat. „Für jede Entscheidung, die man trifft, muss man kommunizieren und manchmal streiten. Das macht total Spaß, weil man als Solokabarettist normal mit niemandem streiten muss.“ Die Kostümassistentin kommt herein, um ihn auf die nächste Szene vorzubereiten. „Kann ich die Jacke nicht tragen?“, bettelt Hader angesichts des gerade ausbleibenden Frühlings. „Nein, auf der Krankenliege hatten wir dich ohne Jacke“, sagt sie. „Das hattest du dir so überlegt.“ „Das hätte ich mir wohl besser überlegen sollen“, murrt der Drehbuchautor/Hauptdarsteller und bedankt sich für das Thermacare, in das sie ihn einwickeln wird. Danach spricht er davon, dass er beim Dreh eigentlich doch keine Entscheidungen treffen sollte. „Man muss irgendwann wieder klein denken.“
Jetzt, ein Jahr später, kommt das Werk in unsere Kinos. Nach dem Erscheinen des achten Buches in der Brenner-Reihe vergangenen Herbst ist nun die vierte Verfilmung dran. Schauplatz ist Graz, der Herkunftsort des gescheiterten Detektivs, der mal Rettungsfahrer war und nun eher als U-Boot unterwegs ist, beim zuständigen Amt aber gerade noch rechtzeitig draufkommt, dass er in Puntigam ein Haus geerbt hat.
„Das ewige Leben“ war von Autor Haas ursprünglich als Abschluss der literarischen Krimiserie geplant. Seitdem hat er aber doch noch zwei weitere geschrieben, und es werden nicht die letzten sein, wie der Cliffhanger am Ende von „Brennerova“ nahelegt. Die Verfilmungen folgen jedoch ihrer eigenen Logik und Chronologie.
„Der Brenner als Figur ist schon Routine“, erklärt Regisseur Wolfgang Murnberger. „Wir kennen den Humor sehr gut. Aber wir wollen trotzdem jedes Mal etwas anders machen und uns die Latte höher legen. ,Komm, süßer Tod‘ war noch eine Krimikomödie, ,Silentium!‘ ein Thriller, ,Der Knochenmann‘ ging in Richtung Horror, und jetzt finden wir uns in der Tragikomödie wieder. Wir gehen so nah an den Brenner ran wie noch nie.“
In Puntigam trifft Brenner jedenfalls seine alten Freunde wieder. Die alten Freunde ersetzen – auch das ist neu – den von Simon Schwarz gespielten Berti, der bisher stets komische Erleichterung brachte. An seiner Statt sind Kapazunder wie Tobias Moretti (als Polizeichef Aschenbrenner) und Roland Düringer (als Antiquitätenhändler Köck) dabei. Der vierte aus der Clique, der „Saarinen“ (wie sie ihn in Anlehnung an den 1973 verunglückten „fliegenden Finnen“ wegen seines Motorradtalents nannten), kam im Zuge einer Jugendsünde ums Leben und kommt nur in Rückblenden vor. Josef Hader ist das erste Mal mit einem „jüngeren Selbst“ seiner Filmpersona (Harry Lampl) konfrontiert. Aber: „Wir können die Figuren jung nicht so zeigen, dass man sie richtig sieht. Es sind stark subjektive Erinnerungsblitze in Siebzigerjahrefarben, nicht sehr realistisch gefilmt, sehr montageartig, schemenhaft.“
Die Jugendsünde der eifrigen Grazer Polizeischüler wirkt in die Jetztzeit nach. Was für Jugendsünden kann Josef Hader selbst anbieten? „ Katholisches Internat bis 19, daher sehr jämmerliche Jugendsünden. Den Blitzableiter runtergeklettert und in die Stadt was trinken gegangen. Nix mit Spätfolgen. Aber Moped gefahren bin ich wirklich in meiner Jugend. Als 18-Jähriger habe ich meinem Nachbarn eine gebrauchte Puch DS abgekauft, damit bin ich immer in den Zivildienst gefahren.“
Im Film findet der Brenner in dem heruntergekommenen Erbhaus so ein altes Moped. Und natürlich schafft er es mit der Klapperkiste, dass ihn auf dem Weg zu seinem alten Spezi Köck die Polizei anhält. Er ist schon sehr arm, der Brenner.
Das Büro und umfangreiche Lager des von Roland Düringer in einer selten gewordenen Kinorolle gespielten Antiquitätenhändlers Köck wurden in einer Halle außerhalb von München liebevoll aufgebaut, die im Film zwischen authentische Graz-Bilder geschnitten ist. Warum? Weil das Projekt trotz vorprogrammierten Erfolgs ohne deutsche Beteiligung nicht finanzierbar gewesen wäre, wie der Regisseur erklärt. Dafür Hader: „Da wir ein eingespieltes Team sind und alles viel schneller geht, schaut er am Ende nach mehr aus, als er gekostet hat.“ Und in Deutschland habe man sowieso eine große Fangemeinde: „In Bayern, Berlin und Hamburg“, präzisiert Murnberger. „Mainz und so ist eher humorfreie Zone.“
Die Nachtdrehs in München bilden fast schon den Abschluss der Drehzeit. Schon jetzt lässt sich also zusammenfassen, was die größte Herausforderung war: das Wetter. Zu kalt? Nein, zu schön!
Murnberger: „Als wir in Graz zu drehen begannen, hätte es bedeckt sein sollen, stattdessen empfing uns ein verfrühter Frühling. Wenn du da eine Regenmaschine hinstellst, hast du plötzlich eine Romantic-Comedy-Stimmung.“
Hader: „Wir hätten für den Brenner gerne einen traurigen, nassgrauen Empfang in Graz gehabt. Da hat der Klimawandel uns hineingespuckt. Wir benutzen das jetzt. Wir lassen ihn mit seiner Depression durch die blühende Frühlingslandschaft gehen. Die Depression ist stärker als das Wetter.“
Murnberger: „Mit dem Wetter muss man als österreichischer Filmemacher einfach leben.“
Und das tun sie. Die Regenmaschine kommt zum Einsatz, und wie. „Das ewige Leben“ hebt mit einem Unwetter an, das man sich wahrscheinlich auch merkt, wenn man nicht wie die Hauptfigur des Wolf-Haas-Romans „Das Wetter vor 15 Jahren“ jede einzelne klimatische Regung memoriert. Jetzt, auf dem Parkplatz vor der Münchner Halle, die sich als Grazer Altwarenhandlung verkleidet, braucht Josef Hader die Wärmeunterwäsche. Gerade hat der Brenner einen aufgefunden, dem kein ewiges Leben beschert war, und Schauspieler in österreichischen Sanitäter- und Polizeiuniformen scharen sich um ihn.
Ein Jahr später, im fertigen Film ist das aber – gefühlt – auch erst der Anfang. Dass man sich lange nicht auskennt, erst spät hinter die Verhältnisse zwischen Brenner, Köck, Aschenbrenner, den Rückblenden und der attraktiven Ärztin (Nora von Waldstätten) blickt, die den vermeintlichen Selbstmörder Brenner im Grazer Spital behandelt, macht die Spannung des Films aus. Den Haas’schen Erzählstil („Jetzt sag ich dir noch was, weil ding“) ignorierend bleibt dieses völlig eigenständige Werk dem Roman doch sehr treu. Tiefer und tiefer wird man in die Geschichte hineingezogen, geschüttelt und gerührt und hat immer noch das Gefühl, dass es gerade erst angefangen hat, als es nach zwei Stunden vorbei ist. Mit dem Brenner und seinen Geschichten auf Papier und Leinwand ist es sicher noch lange nicht vorbei.
FILMISCHES: BRENNERS „SKYFALL“
SPONTANER VERGLEICH ZWEIER FILMHELDEN AUS GEGEBENEM ANLASS
GELUNGEN. „Das ewige Leben“ ist das „Skyfall“ der Brenner-Filme. Auch James Bond ging bei seinem bislang jüngsten Auftritt erstmals zu seinen Ursprüngen zurück. Bei eingehender Betrachtung finden sich im reizvollen Vergleich Bond-Brenner abgesehen von einer gewissen Wortkargheit doch eher prägende Unterschiede: herrlich schlunzig vs. steinhart, verführerische vs. traurige Augen, zielführende vs. holprige Anmachsprüche, Muskeln vs. Migräne. Wie auch immer: Selbst wer den sechsten (und ursprünglich letzten) Roman der Brenner-Reihe gelesen hat, wird ab 5. März diesen Graz-Film spannend und unterhaltsam finden, auch dank – allen voran – Josef Hader, Tobias Moretti, Hary Prinz und Nora von Waldstätten.