SIMON BUNT
Vom Schauspielerproletariat in den Theaterhimmel – oder die Hölle? Simon Schwarz spricht über seinen neuen Film „Zweisitzrakete“, das Dasein als Berufsjugendlicher und sein Salzburg-Engagement
Das Teuflische an Simon Schwarz ist, dass er bei den Salzburger Festspielen im neuen „Jedermann“ mitmacht – als: der Teufel –, obwohl er Theater eigentlich nicht ernst nehmen kann. Das Teuflische an Simon Schwarz ist auch, dass er sich in den letzten Jahren ohne großes Startum in viele österreichische Filme und Serien geschlichen hat und dort einfach so unprätentiös gut war, dass man ihn sich merken musste. Das Teuflische ist, dass er sich als nicht exzentrisch bezeichnet, sich aber letztens mit seinem besten Freund Manuel Rubey eine Farbberatung geleistet hat: „Schwarz geht gar nicht, für uns beide nicht“, erzählt Simon, der jetzt immer mehrere, farblich selbstbewusste Pullover dabei hat, und eine grellgrüne Jacke.
In ihrem neuesten Film „Zweisitzrakete“ spielen die besten Freunde beste Freunde in einer fantasievollen Märchenwelt (Wien), wo Detlev – so heißt Schwarz’ Rolle – als Coach für Männer Optimismus lehrt.
„Am Ende des Tages“, „Braunschlag“, jetzt Detlev: Sie spielen in letzter Zeit öfter diese Managertypen, die alles im Griff haben. Ich glaube, das hat mit dem Alter zu tun. Welche Typen gibt es im Film oder TV mit 42? Die, die irgendeine Position erreicht haben. Auch der Detlev hat es geschafft, durch seine wahnsinnig positive Ausstrahlung: „Wir machen das! Wir gehen da durch, und wir schaffen es!“
Dieser Optimismus steht im ganzen Film im Vordergrund. Diese Welt ist ziemlich perfekt und kuschelig, weil in ihr niemand erwachsen geworden ist. Das ist, weil der Regisseur so ist. Hans Hofer ist überzeugt davon, dass das, was er tut, für uns alle nur das Beste ist. Der will keine böse Stimmung, kein böses Wort, keine Sorgen am Set. Wenn es jemandem schlecht geht – keine Ahnung, was dann wäre. Es muss allen gut gehen. Vielleicht ist es fast schon sektenhaft.
Bin ich jetzt ein schlechter Mensch, wenn ich frage: Ist das nicht manchmal anstrengend? Wie gesagt, sektenhaft... Ich glaube, Manuel hatte das gleiche Empfinden wie ich, als er ihn kennengelernt hat. Dass es unfassbar ist, mit was für einer Energie und Freude er einen mitnimmt. Das war schon sehr okay. Auf Dauer wäre es wahrscheinlich zu viel. Aber ich wohne ja nicht mit ihm zusammen.
Sie sind jetzt 42. Wie stehen Sie zum Ausdruck „Berufsjugendlicher“? Bin ich Berufsjugendlicher? Meine Tochter sagt, ich sehe in meiner grellgrünen Jacke aus wie ein neureicher Prolet. Die sind auch oft Berufsjugendliche. Ich habe Turnschuhe an, die muss man in meinem Alter auch nicht zwingend tragen. Der Detlev ist eher kein Berufsjugendlicher, denn Simon Schwarz hat mit Detlev wirklich nichts zu tun. Der führt ein unbekümmertes Leben, wie ich es nie erlebt habe.
Detlev und seine Freunde schmeißen einen Paradeiser vom Südturm, um die Falldauer zu messen. Was war das Schrulligste, was Sie je gemacht haben? Ich bin immer gerne außen auf Brücken und Häusern herumgeklettert. Das war aber nicht verrückt, einfach die Suche nach irgendeinem Gefühl. Ich habe wirklich nicht den Eindruck, dass ich ein Irrer bin oder ein schrulliger, seltsamer Schauspieler. Oder exzentrisch. Ich bin froh, wenn alles harmlos ist und möglichst unaufgeregt über die Bühne geht. Dieses In-andere-Figuren-Hineingehen, das kostet eh schon so viel Energie. Klar, es ist auch schön, ich kann aus meinem eigenen Ich flüchten und weiß, wie es ausgeht. Bei mir weiß ich nie, ob es gut wird oder schlecht. Vielleicht ist das ja schrullig, dass ich viel von den Figuren selbst in mein privates Leben übernehme. Und dass mich das in dem Moment wahnsinnig unausstehlich macht. Aber nichtsdestotrotz bin ich Schauspielerproletariat. Ich bin kein Künstler, der ab und zu etwas macht, und dann ist es etwas Großes. Ich bin Arbeiter. Ich drehe die eine Woche einen Wehrmachtsoffizier, die nächste einen deutschen Kommissar aus den Fünfzigern und dann wieder einen Transsexuellen. Und noch einen Mörder in einem „Tatort“. Mir bleibt wenig Zeit, schrullig zu sein. Gut, ich freue mich, wenn ich in einem guten Hotel untergebracht bin, meinen Grießbrei zum Frühstück bekomme und der Teebeutel nicht gleich weggeräumt wird. Aber das ist harmlos.
Ein internationaler Durchbruch à la Christoph Waltz interessiert Sie also gar nicht? Es gibt niemanden, den das nicht interessiert. Aber Waltz ist ein unfassbares Sprachentalent. Ich glaube, er spricht fünf Sprachen fließend. Da ich keine zweite Sprache wie meine Muttersprache spreche, werde ich international nie darüber hinauskommen, einen Österreicher zu spielen, der sich für kurze Zeit im Ausland aufhält. Man hat mir durchaus Castings für internationale Produktionen angeboten. Viele habe ich abgelehnt, eben weil das nicht mein Feld ist.
Ist denn Theater Ihr Feld? Ich habe mit Theater begonnen. Als dann Stefan Ruzowitzky mit „Tempo“ kam, habe ich festgestellt, was Kino kann und Theater verloren. Und ich muss auch sagen, je länger ich weg bin: Dieses Kasperltheater und dieses Sich-selbst-wichtig-Nehmen des Theaters als Hochkultur, das ist nicht meins. Ich kann es nicht ernst nehmen. Das kulturell Relevanteste für die jungen Menschen sind YouTube-Videos. Seit 15, 20 Jahren ist in Österreich am Theater nichts passiert, was irgendwen schockiert hat. Es ist verstaubt und nimmt sich wichtig. Damit habe ich Schwierigkeiten.
“Mit Salzburg betrete ich die Hölle, und was ist besser in der Hölle als den Teufel zu spielen?”
Das ist natürlich in Salzburg nochmal zur Potenz so. Genau, ich gehe jetzt in die Hölle hinein. Und was ist besser in der Hölle als den Teufel zu spielen? Insofern finde ich, dass ich da schon gut hineinpasse. Der „Jedermann“ wird neu inszeniert, und für diesen Regisseur und seinen musikalischen Leiter ist das kein verstaubtes Thema. Für die als Engländer zählt der Mystery-Gedanke, denn das hat etwas Mysteriöses: Salzburg, „Jedermann“, Max Reinhardt, der Domplatz, diese Kirche, diese alten Gebäude.
Wie kam das Engagement zustande? Ich wurde gefragt und habe mir wahnsinnig viel Zeit gelassen. Dass die so lange gewartet haben, finde ich erstaunlich. Erst habe ich zur Agentur gesagt: „Ich probe doch nicht zwei Monate, da kann ich ja nicht drehen. Sag ab!“ Dann habe ich nachgedacht: Ich habe ehrlich gesagt die letzten zehn Jahre mehr oder weniger das Gleiche gemacht und mich nicht viel verändert. Aber durchaus gezeigt, dass ich was kann. Da darf ich mich doch mal hinstellen und sagen: Jetzt probier ich was. Ich kann mit der Figur des Teufels wahnsinnig viel anfangen. Ich kann von mir behaupten, dass ich gläubig bin: Ich glaube – ich hoffe, dass es irgendetwas gibt. Und ich weiß, dass mich eine Figur wie der Teufel, egal wie man sie nennt, in meinen Entscheidungen beeinflusst. Also rief ich die Agentur an: „Hast du schon abgesagt?“ – „Nein, nein, hab ich eh nicht.“ Nach ein paar Wochen habe ich mich entschieden, und am nächsten Tag wurde es gleich an die Presse gegeben. Da wurde mir erst bewusst, was das bedeutet. Dass das in der Zeitung berichtet wird, bevor ich überhaupt spiele! Das ist ein Weg, der mir fremd ist.
Was sind Ihre Erwartungen an das völlig andere Arbeiten? Ich hoffe natürlich schon, dass man viel ausprobieren darf. Proben waren immer, was ich am Theater am meisten geliebt habe. Diese finanziellen Möglichkeiten sind auch etwas Neues für mich. Da ist nicht mehr die Frage: Müssen wir die billige Hose nehmen, obwohl sie ein bisschen einen anderen Farbton hat?
Kurios, Ihr budgetstärkstes Projekt ist eine Theaterinszenierung. Eigentlich ist es tragisch. Wenn der österreichische Film die Autoindustrie wäre, dann wären wir eine Autonation. Die Politik würde sich überschlagen. Wir müssen mehr investieren, wir müssen die Abwrackprämie machen. Aber so passiert nichts, außer, dass die Politiker sagen: „Wir holen eh internationale Preise.“ Mein einziger Wunsch, was Berufliches angeht, ist, dass wir den Film im deutschen Sprachraum so hinbekommen wie in Frankreich: Die haben Thriller, Drama, Komödie, Hardcore-Arthouse: das gesamte Programm, mit Liebe und Freude. Es wäre mir ein großes Anliegen, für ein breites Publikum deutschsprachige Filme zu machen. Die WIENER-Leser sollen in Zukunft bitte nicht nur dem österreichischen Film eine Chance geben, der auf einem Festival gewinnt und in den Medien präsent ist, weil irgendwer Bekannter mitspielt, sondern bitte auch dem österreichischen Film, der einfach so startet.
BIOGRAFISCHES
LEBEN UND WERK. Trennen von Rolle und Privat fällt ihm, der immer das echte Gefühl im Spiel sucht, schwer: Der Wiener Simon Schwarz studierte Schauspiel in Berlin, wo er jetzt wieder lebt. Nach einigen Engagements kehrte er dem Theater den Rücken. Im Austro-Kino und -TV ist er allgegenwärtig: in Ruzowitzkys Arbeiten, als Sidekick vom Brenner, in „Nordwand“, „Braunschlag“, „Aufschneider“ oder zuletzt als slicker Jungpolitiker, den die Vergangenheit „Am Ende des Tages“ einholt. Schwarz ist 42 und hat zwei Kinder.
FILMISCHES – „ZWEISITZRAKETE“ VON HANS HOFER
HERZIG. Der Südtiroler Regiedebütant Hofer hat ein romantisches Märchen auf den Spuren von Wes Anderson gedreht: Manuel liebt seine beste Freundin Mia. Kumpel Detlev und die Männer aus seiner Therapiegruppe suchen mit ihm nach originellen Eroberungsmethoden. Ab 1. März im Kino. www.zweisitzrakete.at