POSITIVE ENERGIE
Gunkl hat einen „Stapel Anmerkungen“. Der Kabarettist über sein neues Programm, Christkind und Kasperl und andere Gescheitheiten
Man zweifelt nicht am Gunkl, das rächt sich. Fragt man ihn zweieinhalb Monate vor der Premiere (3.9.) seines neuen Programms, wie weit er schon ist, sagt er: „Na, fertig, ich will ja den Sommer frei haben.“ Wenn man dann anmerkt, dass er den Titel „So Sachen – Ein Stapel Anmerkungen“ sicher schon wählen musste, bevor er wusste, worum es gehen wird – so aus marketingtechnischen Gründen –, hat man ihn schon wieder nicht ertappt: Am 1. Jänner hat er zu schreiben begonnen, erst als die Hälfte des Programmes da war, kristallisierte sich der Titel heraus. „Das vorige Programm ,Die großen Kränkungen der Menschheit‘ war thematisch ein großes Trumm“, erklärt er. „Diesmal ist es – auch dem Titel gemäß – etwas leichtfüßiger. Es geht nicht um einen schweren Klotz, der in der Welt steht und von mir behauen werden muss, weil ich mir das einbilde, sondern es geht um verschiedene Dinge. Es geht um die Differenz zwischen dem, was ist, und dem, was man gerne glaubt.“ Wer zum Beispiel glaubt, dass er den deklarierten Autismus des Günther Paal und seine absolute Mainstream-Ferne problematisch reden kann, differiert von der Realität. Ein Gespräch mit einem, den – laut Pressetext – eigentlich nur der Kasperl verwirrt.
Was ist das Verwirrende am Kasperl? Sein Begrüßungsprotokoll und vor allem der Umstand, dass es durchgeht und keiner denkt: Moment einmal, was ist denn mit dem? Das Verwirrende ist, dass er fragt: Seid ihr alle da? Als Kind habe ich mir gedacht: Sag einmal, natürlich sind die, die da sind, alle da. Aber ich war der einzige, dem aufgefallen ist, dass diese Frage völlig sinnlos ist.
Wie lange haben Sie ans Christkind geglaubt? Nicht gar lang. Die anderen Kinder in der Volksschule haben Briefe ans Christkind geschrieben, ich nicht. Ich habe trotzdem Geschenke bekommen.
War es nicht ein gewisses Risiko, keinen Brief zu schreiben? Ich habe ja etwas gekriegt, bevor ich schreiben konnte.
Was ist der größte Blödsinn, den Sie als Kind erzählt bekommen haben? „Wenn man sich ganz, ganz lieb hat, bekommt man ein Kind.“ Ich habe mir gedacht: Die Queen von England wird von ihrem ganzen Volk geliebt. Die müsste ja G’schropp’n außehauen wie eine Ameisenkönigin.
Gibt es Dinge, die Sie heute noch verwirren oder wundern? Toleranz. Also dass das im Trallala-Denkparcours etwas Feines, Nettes ist, wo nix Böses, Garstiges dabei sein darf. Dabei ist sie wesentlich an zwei unangenehme Dinge gekoppelt: 1. Das, was ich toleriere, ist etwas, das ich nicht mag – Frühstück ans Bett muss ich nicht tolerieren. 2. Toleranz ist ganz wesentlich an die Macht gekoppelt, sie wieder abzustellen – ein Gewitter nicht zu tolerieren ist problematisch. Toleranz zu fordern oder zu behaupten, aber diese zwei Dinge nicht mitzudenken, macht Toleranz unwuchtig in der Welt.
Wenn man beim Fragenstellen nur herausfindet, was die anderen einem sagen, lohnt es sich dann überhaupt noch, Fragen zu stellen? Man muss halt sehr lang fragen. Ob das immer zielführend ist, ist nicht gesagt. Meistens, wenn du eine Frage stellst, erfährst du nur, was der andere erzählen will, in seinem Weltbild, das ein gewisses Wertegatter hat. Und je nachdem, wie sehr das, was du fragst, mit seinem Wertegatter kollidiert, werden die Antworten ausfallen. Aus einer Denkfaulheit ist kaum jemand bereit, aus seinem Wertegatter herauszusteigen und sich eine Situation anzuschauen. So und so, und nicht so und anders.
Kinder sind dem ja ausgeliefert, weil sie nur einem eingeschränkten Personenkreis ihre Fragen stellen können. Wie kommen sie da raus? Nicht aufhören zu fragen! Irgendwann aus diesem Parcours heraustreten und sich alle Antworten in einer Art Metastudie anschauen: Wie unterscheiden sich die Antworten, und welche Schlüsse auf die Beschaffenheit der Welt kann ich daraus ziehen?
Bietet Ihr Programm denn Ideen für unser Bildungssystem? Das ist ein Fass, das man zwar aufmachen kann, aber in zwei Stunden nicht leerkriegt. Ich teile aber ausdrücklich nicht die Vorbehalte vieler meiner Kollegen Lehrern gegenüber. Ich suche nicht gleich den billigen Schulterschluss mit dem Publikum, indem ich Lehrer als Volltrotteln bezeichne. Die Ausgangsposition in der Schule ist, dass der Lehrer mehr weiß als ich! Deshalb gehe ich hin. Das ist so wie dieses „ORF – Wie wir“. Falsch! Ihr seid öffentlich-rechtlich, ihr habt einen Bildungsauftrag. Und die Vermittlung von Bildung funktioniert nur über einen Gradienten: Der ORF darf nicht so sein wie wir. Er muss besser sein, er muss gescheiter sein.
Der Kabarettist ist ja auch ein bisschen in einer Lehrerposition. Sollen die Leute verändert und belehrt aus Ihrem Programm rausgehen? Es geht mir nicht um die Differenz zwischen dem, was ich weiß, und dem, was die Leute wissen. Es ist, was ich an Harald Lesch so schätze: Der weiß wirklich viel. Er weiß so viel, dass er weiß, was er weglassen kann, ohne dass es falsch wird. Und wenn er im Fernsehen spricht, hat er eine Freude daran, dass man etwas wissen kann, und er will, dass es so viele Leute wie möglich wissen. Den Ansatz teile ich mit ihm.
Sie haben keine eigenen Kinder. Aber gibt es in Ihrem Umfeld Kinder, die Sie zu aufgeklärten Gunkls machen können? Ich bin in der privilegierten Situation, mit meiner Nichte immer schon so geredet zu haben, als hätte ich mein Wunschbild von einem erwachsenen oder zu erwachsenden Menschen geformt. Das darf ich mir aber nicht auf meine Fahnen heften, das ist ausschließlich meiner Schwester zuzuschreiben, die eine sehr lebenskluge Frau ist. Als meine Nichte etwa 13 war, fand sie hinten in meinem Auto das „Spektrum der Wissenschaft“ mit einer Titelgeschichte über negative Energie. Und sie meinte: „Wie kann es denn so etwas geben? Energie kann doch nur positiv sein!“ Toll.
Wie läuft es mit Ihrem Asperger? Das ist für mich zufriedenstellend stabil. Es ist die Landschaft, in der ich eben bin.
Nach zehn Programmen, die verlässlich immer in der Kulisse Premiere hatten, starten Sie nun im Stadtsaal. Wie kommt es dazu? Ich habe zehn Programme lang Premiere in der Kulisse gemacht. Ich mag den Stadtsaal sehr gern. Alles, was dort ist, ist wirklich fein. Und meine Schwester arbeitet auch dort. Das war das Zünglein an der Waage.
Warum haben Sie sich für das neue Programm drei Jahre Zeit gelassen? Weil ich die „großen Kränkungen“ sehr gerne spiele und sie kein Ablaufdatum haben. Ich werde sie nach der Premiere des neuen Programmes noch in Luzern und am Denkfest in Zürich spielen.
Die Schweiz! Ist da das Publikum anders? Die Schweiz hält, was ich mir von Deutschland versprochen habe, sofern es um Disziplin, Akkuratesse, Sauberkeit und Trockenheit geht. Darauf kann man sich verlassen. Das Publikum ist irrsinnig bei der Sache, offen, sitzt da und hört zu. Es gibt keine Meinung, die befriedigt werden will. Es ist eben völlig neutral.
Beobachten Sie Entwicklungen im Kabarett? Gerhard Walter kenne ich als Freund viel länger als als Solokabarettist. Aber sein Programm „Happy End“ mag ich. Es ist sehr herzlich, so etwas könnte ich nie. Er hat eine hochromantische Figur entworfen, die etwas will, was nicht geht. Aber es ist so schön und edel, warum er es will und dass er es probiert. Außerdem ist es zum Wegschmeißen lustig. Also zum Sich-Wegschmeißen.
BIOGRAFISCHES
Name: Günther Paal
Geboren: 23.3.1962 in Wien. Größe/Gewicht: 1,80 m, unter 80 (hoffe ich).
Familienstand: Seit 30 Jahren mit einer Frau zusammen.
Essen: Wenn es denn sein muss, ohne Zwiebel, ohne Knoblauch, und wenn’s geht, scharf.
Trinken: Ich bin nicht praktizierender Alkoholiker.
Ort: Wien, weil ich da daheim bin, und im Urlaub im Auto, weil da bin ich alleine.
Stärke: Frustrationstoleranz.
Schwäche: Eine gewisse Leidenschaftslosigkeit.
Lebensmotto: Horaz: „Nütze und erfreue.“ „Nütze“ als transitives Verbum mit Dativ gemeint, und „erfreue“ auch nicht dich, sondern die anderen.
Buch: Derzeit „A Universe from Nothing“ von Lawrence M. Krauss. Da erklärt er sehr elegant, dass es für ein Universum original nix braucht.
Film: „Magnolia“.
Musik: Alles, was ernst gemeint und gut gespielt ist.
www.gunkl.at