Apuleius
Der goldene Esel
Deutsch von August Rode
Luxus ist, Rosen zu fressen und Esel zu vergolden! Der WIENER liest für Sie den weltersten Roman: Toll trieben es die alten Römer
“Jetzt beginnt es. Merke auf, es wird zu lachen geben.”
Ha-ha-ha. Wahnsinnig lustig findet Ich-Erzähler Lucius den Scherz, den man ihm auf einer Handelsreise durch Thessalien, das Land der Hexerei, spielt. Man klagt ihn öffentlich des Mordes an und zerkugelt sich, als sich herausstellt, dass die Männer, die er erschlagen haben soll, einfach drei Schläuche waren. Und richtig zum Brüllen ist es ihm, als er sich nach einer Liebesnacht mit der Dienstmagd Fotis in einen Esel verwandelt findet. Um seine ursprüngliche Gestalt wiederzuerlangen, muss Lucius Rosen fressen. Klingt idiotensicher, aber bis es gelingt, wechselt das arme Vieh mehrfach Besitzer und Ort, wird Zeuge von allerlei schlüpfrigen Schweinereien und Gaunereien – so ist der erste vollständig erhaltene Roman der römischen Antike reichlich mit Handlung angefüllt.
Der moderne Leser hat dabei schon auch zu lachen, aber noch mehr zu staunen darüber, mit wie viel Sex & Crime so ein 2000 Jahre altes Werk angefüllt war; Lateinschüler werden vor Scham erröten, dafür wird ihnen das Durchdeklinieren gleich viel mehr Spaß machen. Denn der „asinus aureus“ kriegt mit seinen langen, spitzen Ohren alles mit: Seitensprünge untreuer Ehefrauen, Schlachtpläne sadistischer Räuberbanden und priesterliche Orgien. Auch der Esel selbst zieht bei den sexuellen Ausschweifungen den Schweif nicht ein. Am Ende wieder Mensch geworden, gibt Lucius sich fromm dem Isisdienst hin, frönt also der eher weißen Magie. Hier finden sich wohl auch autobiografische Züge: Auch dem Autor Apuleius, einem leidenschaftlichen Orgien-Mysterien-Anhänger, sollen magische Tendenzen nachgesagt worden sein, die Zeit nach dem Schriftstellertum verbrachte er in Nordafrika – als Oberpriester. „Siehe!“, schreibt er weiterhin gut gelaunt. „Nun hast Du alles gehört: aber auch verstanden? Unmöglich!“
Was die Wissenschaft tatsächlich nicht ganz versteht, ist, welche Absicht der vermutlich im Jahr 123 n. Chr. geborene Apuleius, der sonst Gedichte und philosophische Werke schrieb, mit dieser ulkigen Posse verfolgte. „Metamorphosen“ soll sein Buch ursprünglich betitelt gewesen sein, und vollständig erhalten ist es vermutlich wegen seiner religionsgeschichtlichen Bedeutung. Die Haupthandlung hat Apuleius einem alten griechischen Stoff entnommen, einzelne Geschichten in der Geschichte – vor allem die berühmte Erzählung von „Amor und Psyche“ – dürfte er selbst erfunden haben.
METAMORPHOSEN
er „Esel“ hat sich in 2000 Jahren vielfach verwandelt
Amor und Psyche
Kommen Ihnen die Namen bekannt vor? In Patrick Süskinds Beststeller „Das Parfüm“ stehen sie für eine ganz besondere Duftnote. Im Louvre und in der Emeritage stehen bekannte Skulpturen, die das Liebespaar aus Gott und Mädchen zeigen. Erfunden hat sie wohl Apuleius, die Geschichte wird über drei der elf Bücher im „goldenen Esel“ hinweg erzählt: Venus’ Sohn Amor soll das schönste Mädchen ever, Psyche, dazu bringen, sich in einen schlechten Mann zu verlieben, verfällt ihr jedoch selbst. Die Tochter, die sie am Ende kriegen, heißt übrigens Voluptas: Lust.
„Das Dekameron“
Im 14. Jahrhundert griff Giovanni Boccaccio das Motiv der erotischen Episoden ohne jede Hemmung auf und erweiterte es zu seinen hundert Geschichten über die Liebe, die als „Decamerone“ Weltruhm erlangen sollten. Auch hier werden mit frivoler Ironie die verschiedensten Konstellationen geschildert, Streiche gespielt, Hörner aufgesetzt. Und Esel gibt es auch.
„Ein Sommernachtstraum“
Im Zauberwald vor Athen treffen sich nicht nur die Liebenden, um ihre Ruhe zu haben, sondern auch die Handwerker, um ihre kleine Aufführung für den Herzog zu proben. An der talentiertesten Rampensau – Zettel, dem Weber – testet der schelmische Elf Puck seinen Liebestrank. Er setzt ihm einen Eselskopf auf und sorgt dafür, dass die Elfenkönigin Titania sich in das entstellte Wesen verliebt. Und jetzt wird auch klar, wie Shakespeare auf die Idee kam.
Schelmenroman
„Der goldene Esel“ ist nicht nur unser erster Roman, auch unser erster Schelmenroman, obwohl diese Genrebezeichnung erst im Spanien des 16. Jahrhunderts aufkam. Immer geht es um einen ungebildeten, aber bauernschlauen Helden, der sich mit mehr Glück als Verstand durchschlägt. Es gibt sie in allen Epochen: Cervantes’ „Don Quijote“ ist so einer, Grimmelshausen „Simplicissimus“ ein anderer. Mit ihm ist Oskar Matzerath aus der „Blechtrommel“ quasi direkt verwandt, und wenn man die Linie weiterverfolgt, landet man bei einem so jungen wie alten Schelm der 2010er-Jahre: jenem „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“.
SCHLÜPFRIGES: „ICH HALTE DIR STAND“. Was in Apuleius’ Klassiker alles emporgereckt wird.
“„,(...) Sobald ich Amors ersten Pfeil tief im Innern fühlte, spannte ich gleich aus voller Kraft meinen Bogen, daß Horn und Sehne springen möchten. Allein, willst Du mir ganz meine Wünsche gestatten, so löse Dein Haar, daß es Dich frei umwalle, und überlaß Dich also meiner Umarmung.‘ (...) ,Auf denn,‘ ruft sie, ,zum Kampf! Mutig zum Kampfe! Ich halte Dir Stand und weiche nicht. Zeige, daß Du ein Mann bist, sei tapfer und stirb tötend; denn heute gibt’s keinen Pardon!‘”
“Was mich betrifft, (...) ich stolzierte hochtrabend einher, und mit emporgereckten Ohren und offenen Nüstern frohlockte und jubilierte ich dermaßen aus vollem Halse, daß alles nur dröhnte.”
“Denn der erste Funke der Liebe ist klein und erwärmt angenehm das Herz; aber wenn er durch den Umgang angefacht wird, so lodert er in Flammen auf, die endlich in wilder Glut unser ganzes Wesen verzehren.”
“Auf diese hämische Spötterei führte er das Bürschchen, sehr wider seinen Willen, zu Bett, schloß sein keusches Weib unterdessen anderswo ein und, allein mit ihrem Liebsten, übte er an demselben die ganze Nacht hindurch die süßeste Rache für die ihm zugedachten Hörner.”