Die Karte seiner Träume
Thomas Ballhausens lange erwarteter neuer Erzählband „In dunklen Gegenden“ bietet ein ganz besonderes Lesevergnügen
Determinierte Strategen auf einsamen Missionen. Statusberichte aus einer Endzeit, deren Details zu trostlos scheinen, um sie auszusprechen. Namedropping, das einen die eigene Unbildung in Sachen Fantasy-Universen bedauern lässt, bei eingehender Recherche jedoch überraschend zu Sternenkonstellationen (Aldebaran), Literaten oder wahlweise Quizshowkandidaten (Van Doren) führt. Und wer sind diese mysteriösen Eisenmänner, gegen die offenbar eine Art Krieg im Gange ist? Dass wir uns In dunklen Gegenden befinden, daran lässt selbst Thomas Ballhausen, der sonst gerne vieles erquicklich unbeantwortet lässt, keinen Zweifel.
»Ich spiele immer noch ernste Spiele«, schreibt er in einem der zehn Texte seines Erzählbandes, mit dem er sich der fantastischen Literatur in einer peniblen, analytischen Sprache annähert. Seine bedachten, fast pedantischen Formulierungen schicken die Fantasie in scheinbar fernen, vielleicht aber auch sehr nahen Realitäten los, nur um sie sofort wieder an die kurze Leine zu nehmen.
Da scheint ein Polizist eine neue Station übernommen zu haben, missbraucht seine Position jedoch dazu, in aller Gelassenheit einen Jahrmarktbären freizulassen. Eine Art Soldat verharrt in Untätigkeit vor einem Graben, und ein Chefkartograf berichtet von seiner Mission, glatt die Frage übertünchend, was ein Chefkartograf eigentlich ist. Von Zitaten aus Musik und Literatur eingeleitet, kartieren zehn Ich-Agenten (oder ist es gar ein einziger?) ihre apokalyptischen Welten oft unberührter Natur, lassen sich dabei aber nur allzu gerne von Grenzlinien und Verwaltungsapparaten ablenken.
Ist all das undurchdringlich? Wahrscheinlich. »Die Bilder wollen sich noch immer nicht einstellen, und mein Kopf schmerzt heftiger, als würde ein Teil davon einfach fehlen.« Der Satz kann durchaus auch die Leseerfahrung beschreiben, die einen ereilt, versucht man den gewieft plastischen Formulierungen dieser apokalyptischen Denker zu folgen. Man sollte dennoch nichts unversucht lassen. »Ich bin nicht geheimnisvoll, ich bin schlicht ein bisschen unleserlich«, heißt es an anderer Stelle regelrecht selbstironisch. Dem sei heftig widersprochen und die Analyse eines anderen von Ballhausens Taktikern entgegengehalten: »Die Welt ist in den letzten Jahren immer unleserlicher geworden.«