Superstar Akram Khan macht in St. Pölten aus zeitgenössischem Tanz eine große Show
Die Briten können es einfach. Blickt man über den Ärmelkanal, möchte man meinen, dass sich mit Kunst noch Geld machen lässt. Selbst den hierzulande als Nischenprodukt geltenden zeitgenössischen Tanz verkaufen sie als große Show, die kann dann noch so anspruchsvoll, verrätselt, düster oder politisch sein.
Meisterhaft beherrscht die Disziplin Akram Khan. 1974 in London als Sohn von Bangladeschis geboren, ist er nicht weniger als der Superstar im Bereich Tanz. Wozu also bescheidener daherkommen als Kylie Minogue oder der Cirque du Soleil? Die vor 18 Jahren gegründete Akram Khan Company verzückte die Welt mit verspielten Multimedia-Spektakeln wie „Until the Lions“ und „Desh“. Seit Syrienkrieg und Flüchtlingskrise fällt dem Choreografen das Leichtfüßige freilich schwerer. Khans neues Stück „Xenos“, das am 17. Mai – wie schon mehrere seiner Arbeiten – im Festspielhaus St. Pölten gezeigt wird, gipfelt im schmerzerfüllten Lacrimosa-Requiem. Es beschäftigt sich mit Kriegstraumata und verbindet Recherchen zu indischen Soldaten, die der britischen Kolonialmacht im Ersten Weltkrieg als Hilfskräfte und Kanonenfutter dienten, mit Motiven von Prometheus, der den Menschen gegen göttlichen Willen das Feuer brachte.
Die neu erwachte Xenophobie in Europa sitzt Khan dabei im Nacken. „Kurz vor den beiden Weltkriegen war die Stimmung genau wie jetzt“, erklärte er nach der Uraufführung des Stückes in Athen im vergangenen Februar. „Ich sage nicht, dass es Krieg geben wird. Aber bevor wir wieder Hoffnung haben können, müssen wir erst trauern.“ Er selbst spielt in dem berührenden Abend einen Weltkriegssoldaten, der längst tot ist, in autobiografisch gefärbten Erinnerungssequenzen aber noch in Pakistan vor den Statthaltern tanzt. Symbolträchtige Objekte wie Erde, Tannenzapfen und ein Grammofon konfrontieren ihn mit Fragen zu Vergänglichkeit und Tod.
Mehr im Falter 19/18
Am 17. Mai 2018 durfte ich außerdem einen Einführungsvortrag zu „Xenos“ im Festspielhaus St. Pölten halten.