Auftraggeber
Mats Staub
Projektinfo
28. Juni bis 7. Juli 2019 beim Festival der Regionen im Alten Kino, Perg
Welche Todesfälle und welche Geburten haben mein Leben bislang geprägt und verwandelt? Wen habe ich empfangen, wen habe ich verloren und verabschiedet und was ist dabei mit mir passiert?
Das neue Langzeitprojekt von Mats Staub fragt nach existentiellen Erfahrungen: es nähert sich dem Universellen über individuelle Erzählungen und in Relation zu lokalen Kontexten. An jedem Präsentationsort bringt es Menschen zusammen, die sich gegenseitig ihre Erlebnisse mit Tod und Geburt erzählen – und es zeigt zugleich Gespräche von anderen Regionen und stellt Verbindungen von einer Seite der Welt zur anderen her. Als Videoinstallation in Theaterräumen will es Orte schaffen, die Intimität zulassen und zugleich ein gemeinschaftliches Erlebnis ermöglichen.
Mats Staub führt für seine Installationen seit über zehn Jahren eine Vielzahl an Gesprächen: Für «Meine Grosseltern» befragte er in 14 Städten mehr als 300 Enkelinnen und Enkel; für «21 – Erinnerungen ans Erwachsenwerden» hat er seit 2012 in acht Ländern auf drei Kontinenten an die 200 Videoportraits erarbeitet. Auf der Basis dieser Erfahrungen erweitert er seine künstlerische Praxis nun um den Moment der Begegnung zweier Menschen miteinander: Anstatt selber Gespräche zu führen, bringt er in «Death and Birth in My Life» jeweils zwei Menschen in einem klar definierten Rahmen zusammen und lässt sie miteinander ins Gespräch kommen, während er als unsichtbarer Begleiter dabei ist. Die Gesprächspartner/-innen werden sowohl beim Sprechen wie beim Zuhören gefilmt und so werden die Besucherinnen und Besucher der Installation, auf zwei Monitoren, gleichzeitig in das erzählende und das zuhörende Gesicht schauen können.
Mats Staubs Projekte sind immer auch direkt mit seiner eigenen Biographie verbunden. Der Tod seines Bruders im Dezember 2014 ist ausschlaggebend für dieses neue Langzeitprojekt über die existentiellen Grenz- und Übergangserfahrungen rund um Geborenwerden und Sterben, Lebensanfang und Lebensende. Wie in all seinen partizipativen Projekten bietet er einen geschützten Rahmen, indem er einen klaren Anfangspunkt und eine schlichte Regel vorgibt: zu Beginn erzählen beide die ihnen überlieferte Geschichte ihrer eigenen Geburt, dann erzählt eine/-r ein Erlebnis, während der/die andere zuhört und dann wiederum mit einer eigenen existentiellen Geschichte reagiert, also dort anknüpft, wo er/sie durchs Zuhören hingeführt worden ist. Diese schlichte Dramaturgie löst das fragile Reden über intime Momente und persönliche Grenzerfahrungen aus dem Zwang der konventionellen, alltäglichen Konversation. Denn die Gesprächspartner müssen nicht nachfragen oder mit gut gemeinten Sätzen Anteil nehmen – und wir als erweiterte Zuhörer/-innen auch nicht. Wir hören einfach zu, wenden uns zu, lassen uns ein.
Manche Gesprächspartner kennen sich seit Jahrzehnten, andere begegnen sich anlässlich des Gesprächs zum ersten Mal. Sie lassen sich ein auf ein ungewöhnliches Gespräch vor Kamera und wissen dabei, dass sich erst nach diesem Gespräch entscheiden wird, ob sich dieses auch für eine Präsentation im Rahmen von Staubs Projekt eignen wird. Gelungene Gespräche haben zwei gleich stark präsente Gesprächspartner/-innen, fesseln über längere Zeit, erzählen auf persönliche Weise und verankert in lokalen Kontexten von Universellem. Die ausgewählten Gespräche verdichtet Mats Staub auf ungefähr 50 Minuten. Für jeden Präsentationsort wird eine bestimmte Auswahl an editierten Gesprächen getroffen, und stets werden vor Ort weitere Menschen zu weiteren Gesprächen zusammengeführt. Mit Koproduktionspartnern in Deutsch- und Westschweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und England ist «Death and Birth in My Life» bewusst und von Anfang an ein mehrsprachig angelegtes Projekt, das mit Untertitelung arbeiten wird.
Indem es zeitgebundener, mit festgesetzten Beginnzeiten und einem Zuschauerkollektiv arbeitet, ist es als Videoinstallation näher am Theater als Mats Staubs Projekte der letzten Jahre. Durch seine langjährige Erfahrung als Dramaturg ist er eng mit dem Theater verbunden und interessiert sich für dieses als 'Ort der Auseinandersetzung und des Erprobens.' In seinem jüngsten Projekt wird ein Sprechen über Dinge erprobt, die wir sonst ausklammern. Und es wird ein gemeinschaftlicher Ort geschaffen, der schmerzliche Gefühle zulässt und damit im besten Fall auch die Erfahrung von Trost bieten kann. Solche Orte hat Mats Staub nach dem Tod seines Bruders vermisst und er will nun im Theater ein zugleich öffentliches wie geschütztes Forum schaffen, das Empathie und Teilhabe ermutigt und ermöglicht.