George Orwell schrieb seinen berühmten Roman 1944 als Warnung von dem Stalinismus. Heute gibt's längst Analogien und Figuren, die näher liegen. Und sie marschieren in Oliver Frljićs Inszenierung in allegorischer Kostümierung auch auf. Und rösten zum Beispiel Würstchen über der Fackel der Freiheitsstatue. Großer Theaterspaß!
28. April 2024. Oliver Frljić kommt als Gescholtener. An seiner Inszenierung am Berliner Gorki-Theater, das er künstlerisch mitleitet, ließ die Kritik jüngst kein gutes Haar. Und es ist nicht das erste Mal, dass der gebürtige Bosnier im deutschsprachigen Raum empört: Platte Provokation bis hin zur Geschmacklosigkeit wird seinen Arbeiten seit zehn Jahren immer wieder vorgeworfen – nur nicht in Stuttgart, wie es scheint. Hier in Stuttgart hat er unter dem Schauspiel-Intendanten Burkhard C. Kosminki bereits zweimal Klassiker bearbeitet ("Romeo und Julia", "Schuld und Sühne"), beide Male ohne besondere Vorkommnisse.
Triggerwarnung
Und Nummer drei? George Orwells Roman "Farm der Tiere", 1944 entstanden unter anderem als Allegorie auf den sowjetischen Sozialismus, der im Stalinismus aufging, böte jedenfalls hinreichend Stoff für die ganz großen Schweinereien. Auf der Website wird außerdem darauf hingewiesen, dass in der Inszenierung Mord mithilfe von Kunstblut dargestellt wird. Solch eine Triggerwarnung vor einem Frljić, da gibt man das Speibsackerl besser nicht an der Garderobe ab!
Der dünne Strahl, der dann aus der Kehle des von den Farmtieren gelynchten Bauern Mr. Jones in einen Topf tropft, wirkt dementsprechend lachhaft. Überhaupt empfiehlt es sich, diesen kurzen und bemerkenswert schmerzlosen Abend mit pubertärem Humor zu nehmen, so wie das Stuttgarter Premierenpublikum. Nicht weil jede Pointe so gut sitzt, sondern weil da neun aufgekratzte Schauspieler:innen in albernen Tierkostümen ruckzuck Revolution durchexerzieren. Sieht ein bisschen aus wie Schultheater, hat dessen Tiefe und funktioniert als solches auch am besten.