Toni Morrison und ihr erbarmungsloses Debüt: Gar nicht blauäugig: der Debütroman von Toni Morrison, der vielleicht erst mehr als 50 Jahre nach seinem Erscheinen auf breites Verständnis stoßen wird
Welch hervorragende Idee, Toni Morrison jetzt wiederzuentdecken! Sie war die erste Afroamerikanerin, die einen Literaturnobelpreis erhielt, das war 1993. Spätestens dann, womöglich aber schon seit dem Pulitzerpreis für „Menschenkind“ 1988, wurde ihr persönlich die gebührende Anerkennung zuteil. Doch erst in unserer Gegenwart, die allmählich lernt, nichtweißen Stimmen wirklich zuzuhören, kann die Morrison-Lektüre auf breiteres Verständnis stoßen.
In diesem Frühjahr ist „Rezitativ“, die einzige publizierte Kurzgeschichte der Autorin, erstmals auf Deutsch erschienen. Deren höchst kompetente Übersetzerin Tanja Handels hat sich nun auch „The Bluest Eye“ neu vorgenommen, Morrisons ersten Roman. Der Titel ist, wohl um unerwünschte Assoziationen mit prügelbedingten Hämatomen zu vermeiden, im superlativlosen Plural geblieben: „Sehr blaue Augen“.
Auch dieses Debüt beruht auf einer nie Kurzgeschichte, die nie veröffentlicht wurde und ihrerseits eine Kindheitserinnerung der Verfasserin aufgreift: an ein Mädchen, das sich nichts mehr wünscht als blaue Augen. Denn blaue Augen bedeuten aus der Sicht Schwarzer Schönheit. Nur Weiße haben blaue Augen, Schwarze sind niemals schön. Dass es diese Sichtweise erst einmal mühevoll loszuwerden gilt, ist eine Erfahrung, die im Nachwort zur Neuausgabe die deutsche Autorin Alice Hasters bekräftigt.
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