Am 9. Februar hätte Thomas Bernhard seinen 90. Geburtstag gefeiert. Kurz vor seinem Tod 1989 wurde der Ankläger der „sechseinhalb Millionen Debilen und Tobsüchtigen, die ununterbrochen aus vollem Hals nach einem Regisseur schreien“ („Heldenplatz“) zum Denunzianten und Nestbeschmutzer erklärt. Posthum setzte man sich über das testamentarisch verfügte Aufführungsverbot seiner Stücke hinweg und erhob ihn in weiterer Folge zum amüsanten Salonklassiker.
Doch schon zu Lebzeiten war der griesgrämige Autor vor der einen oder anderen kabarettistisch gefälligen Pointe nicht gefeit. Nach einem Endprobenbesuch zur Uraufführung des „Theatermachers“ in Salzburg 1985 beschloss Bernhard kurzerhand, auf den damals virulenten Glykolwein-Skandal anzuspielen: Heimische Winzer panschten ihre Produkte widerrechtlich mit Diethylenglykol und vermischten sie, Schreck lass nach, mit deutschen Weinen. Bernhard nahm Regisseur Claus Peymann dessen Textbuch aus der Hand und kritzelte einen Dialog zwischen Wirt und Gast hinein: „Vielleicht einen Wein, der Herr?“ – „Wein!? / Um Gottes Willen / Wein / Nein / In Österreich keinen Wein“.
In einer Zeit des Ausgesperrtseins aus den Theatern tut es besonders gut, sich dialektisch an die bernhardsche „lebenslängliche Theaterkerkerhaft“ zu erinnern: „Strafanstalt als Theater“, monologisiert sein Theatermacher: „Zehntausende Insassen / die alle keine Aussicht / auf Begnadigung haben / Nur die Todesstrafe ist ihnen allen sicher“. So fragt man sich im Sinne des seit einigen Jahren kursierenden Hipster-Hashtags #WWTBD (What would Thomas Bernhard do?), wie Bernhard auf die aktuelle Lockdownlitanei reagieren würde. Wahrscheinlich bräche er in literarische Rage aus. Oder er ließe sich dann doch einen Wein kommen.