Entspannender wird’s nicht: „Symphonia Harmoniæ Cælestium Revelationum“ kommt zu den Wiener Festwochen
Aus unerfindlichen Gründen ist Marie-Pierre Brébant in meinem Artikel fast durchgehend fälschlich als Marie-Prierre Brénard ausgegeben. Wie peinlich! Ich entschuldige mich für diesen Fehler, der in der Printversion des Falter leider nicht mehr auszubessern ist.
François Chaignaud und Marie-Pierre Brébant verspäten sich zum Termin in der Brüsseler Innenstadt. Obwohl sie am Vortag ihre Performance „Symphonia Harmoniæ Cælestium Revelationum“ schon nachmittags zum Besten gaben, waren sie erschöpft, mussten ausschlafen. Eine Erscheinung sind die beiden sowohl auf der Bühne als auch privat, sie wohl deutlich älter als er – Geburtsdaten verraten sie nicht –, aber beide irgendwie alterslos. Die langen, blonden Haare, die auf der Bühne noch zu einer Pyramidenfrisur hochgewickelt waren, fallen nun frei herab. Bei beiden.
Unter der Kleidung lugen die Tattoos hervor, mit denen ihre Körper übersät sind. Diese sind aber nicht Exzentrik, sondern Kostüm. Es handelt sich um Schriftzüge und Illustrationen aus Manuskripten der Hildegard von Bingen. Die Performance der beiden Franzosen besteht darin, die Sammlung geistlicher Lieder, die die universalgelehrte Äbtissin im 12. Jahrhundert anlegte, zu singen, begleitet auf der „ukrainischen Lautenzither“, der Bandura. Dabei sind Chaignaud und Brébant bis auf eine Art Kettenunterhose nackt. „Wenn diese Musik sonst aufgeführt wird, dann meist von Menschen in Nonnengewand“, erklärt der Choreograf, Tänzer, Historiker und neuerdings Sänger François Chaignaud, der in Wien nun erstmals bei den Wiener Festwochen gastiert (bisher war er eher Impulstanz-Stammgast). „Dabei hatte Hildegard ein unverkrampftes Verhältnis zu Nacktheit, in ihren Schriften preist sie die Körper ihrer Ordensschwestern. Außerdem soll das Publikum an unserer Atmung die Anstrengung des Gesangs, die Schwere des Instruments erkennen.“
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