Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy macht jetzt Theater für Europa – als aufwändiges Privatvergnügen
Man muss Bernard-Henri Lévy lassen, dass er als alter weißer Multimillionär alles Mögliche tun könnte. Er könnte ein zorniger Frank Stronach werden oder auch einfach in Pension gehen. Aber er setzt sich für Europa ein – mit bemerkenswertem Aufwand. Im Vorfeld der kommenden EU-Wahl tourt der bekannte Philosoph als Autor, Regisseur und Performer seines Theaterstücks „Looking for Europe“ durch 20 Länder. Darin geht es um einen Mann in einem Hotel, der zwei Stunden Zeit hat, eine Rede über Europa vorzubereiten, und laut überlegt, was er sagen könnte.
Der Franzose Lévy erbte das Unternehmen seines Vaters, schrieb für die Zeitung Albert Camus’ und lernte Jean-Paul Sartre kennen. Mit ihm überwarf er sich, dann gründete er mit Kollegen 1976 eigene Gegenströmung, die antimarxistische „Nouvelle Philosophie“. Seither schrieb er etwa gut verkaufte und scharf kritisierte Bücher, betrieb investigativen Journalismus und verantwortete als Regisseur den angeblich zweitschlechtesten Kinofilm des Jahres 1997 (nach „Batman & Robin“), die Schnulze „Der Tag und die Nacht“.
Jetzt macht BHL Ein-Mann-Tourneetheater für einen guten ideologischen Zweck. Karten sollen trotzdem verkauft werden, auch in Wien, wo „Looking for Europe“ am 18. März im Theater Akzent läuft. Und so trifft der Falter-Redakteur, eingeladen von Lévys PR-Team, zwei Stunden vor dem Beginn seines Auftritts im Théâtre Le Public in Brüssel zum ihm angebotenen Interview mit dem „auteur“ ein. Durchs Foyer wuselt nur einer Horde an Security-Mitarbeitern. Eine Viertelstunde, eine halbe, Dreiviertelstunde wird gewartet. Dann kommt die Pressereferentin und entschuldigt sich, die Probe würde sich in die Länge ziehen. Kein Wunder, Lévy überlegt sich in jeder Stadt kurzfristig eine eigene Version mit lokalen Bezügen. Nach einer Stunde schließlich bittet die junge Dame in eine leere Garderobe und sagt, Monsieur Lévy werde jetzt kommen. „It’s true!“, lächelt sie mitleidig.
It is true. Mit perfekt gewelltem Haar, Anzug und offenem Hemd tritt der 70-Jährige ein. In einer Hand hält er eine Zigarette, die er nie anzünden wird, mit der anderen tippt er SMS. Wie lange es dauern werde, zehn Minuten? Das ist wenig für ein Interview, erweist sich bei dieser Begegnung aber als lang. Denn Lévy blickt, wie ein tindernder Teenager, kaum von seinem iPhone auf, antwortet kurz, herablassend und angeödet. Die Gelbwesten? Macron habe sie besiegt. Der Brexit? Dass der jetzt womöglich verschoben wird, habe er, Lévy, immer vorhergesagt. Wie es nach der Tour weitergeht? Er plane nie.
Mehr im Falter 11/19