Noch während des Lockdowns hat Daniel Kehlmann über Corona geschrieben. Und weil die Kunst Distanz brauche, entschied man am Wiener Theater in der Josefstadt, bis zur Uraufführung ein paar Jahre verstreichen zu lassen. Jetzt zeigt Stephanie Mohrs Inszenierung, ob der Abstand den Erkenntniswert steigern konnte.
7. September 2025. Nach Ostern, so hoffte am 6. April 2020 der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, würden wir alle auferstehen. Was er damit meinte, muss man im September 2025 keinem halbwegs erwachsenen Menschen in Europa erklären. Dass die Dramaturgin im Rahmen ihrer Einführung vor der Uraufführung von Daniel Kehlmanns "Ostern" den Verlauf der Corona-Pandemie zusammenfasst wie etwa jenen der Französischen Revolution, das könnte man fast als den ersten Witz des Abends auslegen.
Kehlmann schrieb also über Corona, und zwar: während Corona. Noch im März 2020 setzte er sich hin und begann, sechs Szenen zu schreiben. Sobald die Theater wieder aufsperren, so schlug er jenem in der Josefstadt vor, solle sein Stück auf die Bühne. Deren Direktor Herbert Föttinger aber meinte: "Nein! Wir warten, bis es vorbei ist." Denn die Kunst komme mit der Distanz. Für die letzte seiner insgesamt 20 Spielzeiten setzte Föttinger "Ostern" schließlich an, als Eröffnungspremiere in den Kammerspielen. Aus diesem Anlass ergänzte der Autor seine Sammlung von Szenen um eine kurze zum Reizthema Impfung und eine lange für nach der Pause.
Grüße aus Tegel
Dieser Hergang ist deshalb so genau bekannt, weil ihn Kehlmann in Form eines Briefes ans Publikum in sein Stück integriert hat. Robert Joseph Bartl trägt ihn im Anschluss an die erste Szene vor. Das ist auch gut so, weil man sonst vollends am Urteilsvermögen sowohl des Verfassers als auch des Direktors zweifeln müsste.