Die Salzburger Festspiele haben einen neuen „Jedermann“. Die Inszenierung von Robert Carsen bleibt an der Oberfläche
Die gute Nachricht zuerst: Die Premiere des neuen Salzburger „Jedermann“ konnte im Freien stattfinden, bei blauem Himmel und milder Abendluft.
Im Vorjahr musste die Premierengesellschaft schlechtwetterbedingt vom Domplatz ins Festspielhaus umziehen. Es war ein unheilvolles Vorzeichen. Der seit 2017 engagierte Regisseur Michael Sturminger hatte das Jahrespflichtstück der Salzburger Festspiele mit einem neuen Ensemble um Michael Maertens in der Titelrolle wieder einmal uminszeniert, diesmal als düsteren Kommentar auf Klima- und Kapitalismuskrise.
Verträge für die Übernahme in die neue Schauspieldirektion unter Marina Davydova waren bereits unterschrieben, da überlegten es sich die Festspiele im Herbst plötzlich anders. Man wolle nun doch einen neuen Regisseur beauftragen, der werde alle Rollen neu besetzen.
Als sakrale Orgelmusik aus dem Dominneren den neuen „Jedermann“ in der Regie von Robert Carsen einläutet, vermutet man auf den ersten Blick ein Sparprogramm. Die Plattform vor dem Dom ist nackt: kein Bühnenbild, kein Orchester. Die Abschlagszahlungen an das geschasste Team müssen hoch gewesen sein.
Doch das ist eine geschickte Täuschung. Schon in der ersten Viertelstunde zeigt der aus dem Opernfach kommende Kanadier Carsen, wo seine Stärken liegen: im Verschieben von Ausstattungs- und Menschenmaterial. Aus dem Dom strömt eine schiere Masse an Komparserie und verteilt sich auf der Bühne, um den Prolog des Spielansagers zu sprechen.
Auf das unfreiwillige Symbolbild für Overtourism folgt eine fröhliche Feier protzigen Reichtums, die bis über die Hälfte der Aufführung reicht: Vor die Statuen an den Domeingängen schieben sich turmhohe Zierpflanzen, ein roter Teppich wird ausgerollt, ein goldenes Cabriolet fährt vor.
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