22. Mai 2024. Bei den ersten Wiener Festwochen unter seiner Leitung inszeniert Milo Rau die letzte Oper Wolfgang Amadeus Mozarts. In die Feier eines idealen Herrschers lädt er echte Wiener*innen, kommentiert die Handlung mit Übertiteln und dekliniert die These "Kunst ist Macht" durch.
22. Mai 2024. In Wien ist bekanntlich jeder ein Künstler. Kein Wunder also, dass die Wiener Festwochen auf der Suche nach Leuten, die der hiesigen Version von "La Clemenza di Tito" eine Realitätsebene hinzufügen sollen, auf Puppenspieler und Schauringerinnen, Musiker und Performance-Künstlerinnen stießen.
Der letzte echte Wiener muss dran glauben
Schon am Grand Théâtre de Genève, wo Milo Rau die letzte Mozart-Oper auf die Bühne bringen sollte, band er Menschen ein, die (laut Abendprogramm) "rund um das Opernhaus auf der Suche nach einer besseren Zukunft gestrandet" waren. Die Aufführung wurde im Februar 2021 lockdownbedingt nur im TV übertragen. Im September 2023 gab es eine Live-Premiere in Antwerpen. Jetzt, als Intendant der Wiener Festwochen, adaptiert Rau sie für die "Freie Republik Wien", die er – samt Hymne und auszuarbeitender Verfassung – bei der Eröffnung ausgerufen hatte.
Neu sind das Orchester, der musikalische Leiter und der Chor, und als römisches Volk, das zwar die "clemenza di Tito", also die Milde des Kaisers Titus, genießt, aber auch unter den Folgen eines Vesuv-Ausbruchs leidet, sind 19 Wiener:innen mit Migrationshintergrund gecastet. Der mit der am längsten zurückliegenden Migrationsgeschichte muss als Erster dran glauben. Kaum hat Willfried Kovárnik, Abkömmling des böhmischen Teils der k. u. k. Monarchie und in eigenen Worten "der letzte echte Wiener", seine Erfahrungen als Komparse bei "Zwiegespräch" im Akademietheater geschildert, erleidet er das gleiche Schicksal wie dort (nur lauter): Er stirbt in Unterhosen, bevor das Stück richtig losgeht.