Fünf neue Ensemblemitglieder des Burgtheaters spielen alle in dem Stück „Ingolstadt“ bei den Salzburger Festspielen
„Niemand will mehr ans Burgtheater“, höhnt die Szene. Früher hätte jeder Eleve für ein Engagement an der größten, bedeutendsten Sprechbühne im deutschsprachigen Raum seine Großmutter verkauft. Nach drei Jahren der Intendanz Martin Kušej ist medial und hinter den Kulissen von schlechter Stimmung die Rede.
Tatsächlich verließen mit Ende der vergangenen Saison einige Schauspielerinnen und Schauspieler das Haus, ein Teil kehrt dem Prinzip „festes Ensemble“ ganz den Rücken und dreht nun lieber Filme oder Netflix-Serien, arbeitet also freiberuflich.
Julian von Hansemann sieht das grundlegend anders. „Als Einzelkämpfer wäre ich schnell unglücklich“, erklärt der junge Schauspieler. In dieselbe Kerbe schlägt sein Kollege Maximilian Pulst: „Wir müssen in Reibung gehen, damit wir der Gesellschaft einen Ansatz bieten können.“ Beide sind ab der Spielzeit 2022/23 neue Ensemblemitglieder am Burgtheater, ebenso wie Dagna Litzenberger Vinet, Jonas Hackmann und Lukas Vogelsang. „Ich meine, klar macht das Burgtheater was her“, findet Letzterer. Ganz dürfte der alte Glanz also noch nicht ermattet sein.
Derzeit weilen die fünf Neuen allesamt im „Trainingslager“ in Salzburg. Ihre erste gemeinsame Burg-Produktion feiert am 27. Juli bei den dortigen Festspielen Premiere. „Ingolstadt“ ist ein Zusammenschnitt mehrerer Texte der in der titelgebenden Kleinstadt aufgewachsenen Autorin Marieluise Fleißer (1901–1974), über die Jahre immer wieder vergessen und neu ausgegraben wurde. Am bekanntesten ist ihr im Alter von nur 22 Jahren verfasstes Drama „Fegefeuer in Ingolstadt“, nach dessen Erfolg Bertolt Brecht sie einst zur Komödie „Pioniere in Ingolstadt“ ermuntert hat.
„Beide Stücke haben eine unglaubliche Gewalt, ob psychisch oder physisch“, erklärt Pulst. „Sie haben ihre Berechtigung, da die Figuren stets verloren mit sich sind, doch eine große Sehnsucht nach Heilung haben.“ Thema ist jeweils der Versuch Jugendlicher, sich in einer konservativen Gesellschaft zurechtzufinden: erste Liebe, Beichte, sexuelle Erfahrungen, ungewollte Schwangerschaft.
Weiter im Falter 29/22