In meinem 2016 erschienenen „Buch der Schurken“ versammelte ich 100 der genialsten Bösewichte der Weltliteratur in einem Minilexikon. Einige blieben dabei auf der Strecke. Schändlicherweise. Hier begleiche ich nach und nach die schurkische Schuld.
Der Verlag Alfred A. Knopf hat eine Jubiläumsausgabe von „The Secret History“ herausgebracht. Gut so. Denn es gibt mehrere Gründe, Donna Tartts vor 30 Jahren erschienenen Debütroman zu feiern. Zunächst als Erinnerung, dass die öffentlichkeitsscheue Autorin aus Mississippi ihrem Rhythmus entsprechend schön langsam ein neues Buch präsentieren sollte: Zehn Jahre nach „Die geheime Geschichte“ kam „Der kleine Freund“, wieder eine gute Dekade später „Der Distelfink“. Wir warten, Frau Tartt. Wir warten.
Zweitens verdankt das literarische Schurkentum dem Buch einen eigenen Kosmos: Die Dark Academia erhielt ihren Namen zwar erst in den sozialen Medien, die Anfang der Neunzigerjahre noch nicht einmal in den Träumen der abseitigsten Nerds existierten. Doch der Faszination stickiger College-Gänge, blasser Bücherwürmer und exzentrischer Universitätsdozent/innen haftet seit damals etwas Nicht-von-dieser-Welt-iges an. Henry Winter verkörpert die Dark Academia wie kein anderer. Und ohne Zweifel würde es ihm gefallen, zum Schirmherrn dieser ästhetischen Strömung erklärt worden zu sein. Aber er würde es sich nicht anmerken lassen.
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