Die Autorin Stefanie Sargnagel bekommt für ihr neues Theaterstück „Heil“ im Rabenhof Unterstützung durch die Band Buntspecht. Eine Doppelkonferenz über Pilates, kulturelle Aneignung, vollgekackte Klangschalen und die Lust am Sekkieren
INTERVIEW: MARTIN PESL, GERHARD STÖGER
(auch als Podcast im Falter-Radio!)
Die Proben laufen auf Hochtouren, die Stimmung ist eine gute Woche vor der Premiere trotzdem entspannt – auch bei der auffällig gut gelaunten Stefanie Sargnagel. Mit dem Theaterstück „Heil“ kehrt die Wiener Künstlerin nach dem Beststeller „Ja, eh“ zurück in den Rabenhof, erneut unter der Regie von Christina Tscharyiski. Die Musik steuert diesmal die Gruppe Buntspecht bei, beim Interview vertreten durch Sänger Lukas Klein.
„Heil“ begibt sich ins Milieu der Coronaleugnerinnen und Verschwörungstheoretiker. Bevor die beiden bei Kaffee und selbstgedrehten Zigaretten darüber Auskunft geben, treiben Sie mit Falter-Fotograf Heribert Corn Unfug – Sargnagel gefällt sich dabei in Gangsta-Rap-Posen.
Falter: Frau Sargnagel, haben Sie heute schon Yoga gemacht?
Stefanie Sargnagel: Nein, und ich bevorzuge auch eher Pilates. Da spricht mich der Name an, er klingt nach deutscher Gymnastik, härter also. Und er impliziert diese mit „Yoga“ verbundenen Lifestyle-Aspekte noch weniger.
Stefanie Sargnagel beim Pilates, echt jetzt?
Sargnagel: Ich bin fast vierzig, und wenn man nicht an Schmerzen sterben will, muss man hin und wieder etwas machen. Man wird auch so schön stramm dadurch.
Lukas Klein: Entschuldigung, aber was ist Pilates noch einmal schnell?
Sargnagel: Es ist vorrangig Gymnastik, konzentriert auf die Stärkung des Rumpfes, während klassisches Yoga vermehrt auf die Dehnung abzielt. Vielleicht liegt mein Pilates auch am Geschlecht: Ich als Frau falle eben leichter auf dieses Selbstoptimierungsding hinein.
Klein: Yoga zu machen heißt doch nicht automatisch, auf so Versprechen reinzufallen!
Sargnagel: Nicht zwingend, aber dieser ganze Komplex hat viel damit zu tun, ein ruhigerer, besserer, gelassenerer, entspannterer, durchtrainierterer Mensch zu werden. Mit Yoga sind auch gewisse Körperbilder verbunden, die zugehörigen Influencerinnen sehen alle urgeil aus. Frauen fallen drauf rein, Männer stählen eher ihren Oberkörper.
„Auf zum fröhlichen Einhörner-Schlachten!“, lautet das Motto Ihres Stücks „Heil“, das den Untertitel „Eine energetische Reinigung“ trägt und in das Milieu der Corona-Leugner eintaucht. Beitrag zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung ist da vermutlich keiner zu erwarten?
Sargnagel: Darin bin ich nicht so die Beste, nein. Sollen sich Politiker darum kümmern, ich stochere lieber in Sachen, die mich ärgern. Ende 2021 habe ich bei einer antifaschistischen Gegenveranstaltung zu einer Coronaleugner-Demo eine Rede gehalten, darin wurzelt das Stück. Es liegt viel humoristisches Potenzial in der Diskrepanz dieser farbenfrohen und wohlriechenden Esoterik-Ästhetik und ihres faschistischen Potenzials. Der Komplex „Coronaleugner“ ist ein riesiges Sammelbecken, von technokratischen Verschwörungstheoretikern über Psychotiker und Nazis bis zu Hippies kommt da alles zusammen. Es ärgert mich furchtbar, dass Codes nicht mehr klar lesbar sind.
Was wäre dafür ein Beispiel?
Sargnagel: Beim netten Hippie mit Jurte am Land hätte ich früher gedacht: Chilliger Typ, vielleicht rauchen wir einen Ofen miteinander? Heute vermute ich dagegen eine Terrorzelle der Reichsbürger. Schaulustig, wie ich bin, habe ich selbst auch viele Demos von Coronaleugnern besucht. Die Absurdität dieses Treibens hat selbst mich überrascht, das war ein einziger Karneval der Kuriositäten. Fragt man auf linken Demos nach, können die Leute argumentativ für gewöhnlich halbwegs unterfüttern, was sie da brüllen, während sie einander hier gegenseitig widersprechen.
Klein: Interessant ist auch, wie kindisch dieser Freiheitsbegriff der Leugner und Maßnahmengegner ist: Er besteht einzig in der Negation. Sie fordern Freiheit von etwas, von Impfung, von Maßnahmen, von Masken, von Quarantäne, während die Freiheit für oder zu etwas gänzlich fehlt. Aber genau darum würde es ja eigentlich gehen.
„Heil“ rechnet humoristisch mit diesem Milieu ab?
Sargnagel: Ich schreibe keine Theaterstücke im klassischen Sinn, sondern biete Texte an und überlasse der Dramaturgie, was daraus wird. Die diversen Figuren im Text repräsentieren Typen, die mich in dieser Szenerie besonders nerven. Etwa jene der Natur-Idealisierer, bei denen es dann die grausame Wendung hin zum Überleben des Stärkeren nimmt. Genauso stört mich diese Klassenverachtung aus einem der Homöopathie zugewandten, seltsam individualistischen Ökobürgertum. „Warum essen die dummen Proleten keine Bioprodukte?“ heißt es dann von oben herab. Für das Stück habe ich auch viel über Esoterik recherchiert und sogar einen Workshop besucht, in dem man ausgebildet werden sollte, die Aura anderer Menschen zu lesen. Ich gehe ja immer wieder gern an Orte, die ich nicht kenne.
Klein: „Heil“ spielt auch in einem Seminarraum, wo unterschiedlichste Leute zusammenkommen, um sich weiterzuentwickeln und auszutauschen.
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