Vor zehn Monaten haben die Schauspielerin Anna-Eva Köck und der Architekt Gregor Schindler einen alten Streckhof in Niederösterreich gekauft, den Lösshof. Nun machen die beiden dort Theater
Der Lösshof ist ein Märchenschloss. Von außen sieht man ihm das allerdings nicht an: Plump macht sich der Bau zwischen zwei Nachbarhäusern in Großriedenthal breit, einer niederösterreichischen Gemeinde mit knapp tausend Einwohnern. Plakate an der Fassade kündigen ein Theaterfestival an. Auf die Idee, es könnte hinter genau diesen Wänden stattfinden, kommt man nicht. Doch hinter dem Tor öffnet sich eine weite Welt.
Vor einem Jahr hätten die Schauspielerin Anna-Eva Köck, 38, und der Architekt Gregor Schindler, 37, nicht geahnt, dass sie bald einen Kulturbetrieb leiten würden. Die Geschichte zu ihrem neuen Zuhause, das auch ihr Arbeitsplatz ist, könnte romantischer kaum sein: Am 19. September 2020, ihrem ersten Hochzeitstag, übernahmen sie die Schlüssel zum Lösshof. Umgehend reichte das Paar einen Förderantrag bei der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich ein und begann, den Umbau zu planen – Einrisse einer Zwischendecke und einer halbtragenden Wand inklusive.
Mit Dezember kündigten Köck und Schindler ihren Mietvertrag in Wien. Erst ab Februar verfügte ihre neue Bleibe über Dusche, WC und eine Küche. „Wir haben unser Bett im Theatersaal aufgestellt, mit Holz geheizt und den Heiligen Abend mit einer Käseplatte und viel Rotwein verbracht. Im Hof war ein Dixie-Klo, und duschen durften wir bei Freunden in Gösing“, erinnert sich das Paar. „Dieses Angebot wollten wir aber nicht zu sehr ausreizen. Wir waren schon sehr verwahrlost in diesen Wochen.“
Noch Mitte Juli 2021 wird der Falter durch eine umfangreiche Baustelle geführt. Am 5. August startet ein Theaterfestival mit einer Eigenproduktion, Gastspielen und Konzerten.
Die Entscheidung zum Kauf fiel denkbar spontan. Köck und Schindler stammen aus Salzburg, lernten sich aber in Wien kennen, zu einer Zeit, als die Schauspielerin Engagements und Workshops in Italien und den USA und der Architekt, damals noch angestellt, lange Bürotage hatte. Das junge Paar haderte mit dem Umstand, viel zu wenig beieinander zu sein. Corona und Schindlers neue Selbstständigkeit schienen diese Situation nur vorübergehend zu verbessern.
Die erwähnten Gösinger Freunde schickten ihnen den Link zu einem Immobilien-Inserat auf Willhaben. Das Gasthaus „Zum schwarzen Adler“, in dem man vor dem ersten Corona-Lockdown gemeinsam Schnitzel essen war, habe geschlossen, das Gebäude stehe zum Verkauf.
„Klar wollt ihr, dass wir da hinziehen, euch ist fad am Land“, dachte Anna-Eva Köck und ignorierte die Nachricht. Doch auch ihr Mann bekam den Link, und die Freunde insistierte: „Jetzt schaut es euch halt wenigstens an.“ Ein Klick offenbarte den charmanten historischen Festsaal des Lösshofs, wie sein Vorbesitzer das Gebäude genannt hatte. 1850 errichtet, haben alle Bewohner Großriedenthals hier schon an mindestens einer Taufe, Hochzeit oder Dorftheateraufführung teilgenommen.
Die erste Besichtigung erfolgte im Rahmen eines Badeausflugs im August – spontan und unangekündigt. „Wir mussten eine Stunde auf den Besitzer warten“, erinnert sich Köck. „Währenddessen kam ein Nachbarsmädchen mit ihren Freundinnen und fragte uns aus: ,Aha, du bist Schauspielerin? Wenn ihr da einzieht, machst du dann ein Theater?‘ Wir hatten das Innere noch gar nicht gesehen. ,Jaja‘, sagte ich leichthin und versprach, dass sie dann mitspielen dürfe. Deshalb gibt es bei uns jetzt einen Kinder- und Jugendworkshop, den Susanne Preissl leitet. Die Nachbarstochter ist mit von der Partie. Sie hat auch das Logo des Festivals gemalt: eine Pippi Langstrumpf mit Pferd.“
Auf der Heimfahrt schwiegen sie viel, dann sagte Köck: „Und was, wenn wir es wirklich machen?“ Am nächsten Tag schrieb Schindler seine Salzburger Eigentumswohnung zum Verkauf aus.
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