Elisabeth Orth. Die Doyenne des Burgtheaters meldet sich aus der freiwilligen Heimquarantäne mit einem Monolog von Marlene Streeruwitz und sorgt sich um die Zukunft
Sie ist die Doyenne des Burgtheaters. Vor 55 Jahren stand Elisabeth Orth dort erstmals auf der Bühne. Zum vielleicht letzten Mal sah man sie auf einer Burgtheater-Bühne im vergangenen Jahr. Da spielte sie die Mutter des Shakespeare-Antihelden Coriolan, den ihr wirklicher Sohn Cornelius Obonya verkörperte. Die 84-jährige hat sich schon vor der Corona-Krise altersbedingt zurückgezogen. Besorgt ist sie dennoch, weniger um sich selbst als um die Gesellschaft. Nun bekommt die große Schauspielerin die Gelegenheit, diese Sorge auf eine Art auszudrücken, die sie besonders gerne mag: als Lesung. Für die Burgtheater-Videoreihe „Wiener Stimmung“ leiht sie einem frisch geschriebenen Monolog von Marlene Streeruwitz die Stimme. Die Videokünstlerin Sophie Lux ordnet der Stimme Bilderwelten unter, die sie als „Expedition ins Gewesene, Vorahnung des Kommenden“ beschreibt. Die Erstausstrahlung im Netz ist am 16. Mai. Im Falter-Telefonat schildert Elisabeth Orth ihre Erfahrungen mit dem Text und seiner Aufnahme und reiht die Corona-Krise in die Ränge ihres reichen Lebens ein.
Falter: Frau Orth, lassen Sie uns mit der naheliegenden Corona-Frage beginnen: Wie geht es Ihnen?
Elisabeth Orth: Ich bin in freiwilliger Heimquarantäne, die sich jetzt langsam und vorsichtig dem Ende zuneigt. Ich gehöre in die Hochrisikogruppe, wegen meines Alters und wegen meiner Lunge. Es war heftig. Aber meine Kinder waren zauberhaft und haben mir immer alles besorgt, was ich brauchte. Und dann habe ich eben gelesen. Ich lese leidenschaftlich gerne und habe immer noch nicht all die Bücher, die in herrlichen Reihen hier bei mir herumstehen, gelesen.
Wenn es nach Ihnen geht, könnte die Quarantäne also ohne Weiteres noch ein bisschen weitergehen?
Orth: Nicht auf diese Weise. Ein bisschen Frischluft hätte ich dann schon ganz gerne.
Wann war Ihr letzter Auftritt vor der Corona-Krise?
Orth: Der liegt schon länger zurück, es muss die letzte Vorstellung von „Coriolan“ im Dezember gewesen sein. Ich bin aber selber schuld, dass ich nicht mehr auf der Bühne stehe, ich habe mich freiwillig zurückgezogen. Aus Krankheitsgründen dürfte ich mich jetzt gar nicht mehr in Massensituationen begeben. Das ist auch in Ordnung so: Wenn schon Bühne, dann muss man absolut fit sein.
Haben Sie sich jetzt daher lange bitten lassen, an dem Projekt „Wiener Stimmung“ des Burgtheaters teilzunehmen?
Orth: Nein, nein. Kaum fiel der Name Streeruwitz, habe ich schon gesagt: „Alles okay, her mit dem Text!“ Marlene und ich sind miteinander bekannt, wir mögen einander, obwohl wir einander nie sehen.
Der vierseitige Text von Marlene Streeruwitz ist mit 18. April datiert und trägt den Titel „bettys monolog“. Betty ist eine mögliche Kurzform für Elisabeth. Hat sie ihn eigens Ihnen auf den Leib bzw. auf die Stimme geschrieben?
Orth: Das glaube ich eigentlich nicht, aber auch sie hat angeblich sofort geschrien: „Ja, die Orth!“ und mich herzlich grüßen lassen, als sie erfahren hat, dass ich es mache.
Die Reihe „Wiener Stimmung“ umfasst kurze Videos, in denen Burgschauspielerinnen und -schauspieler eigens zur Corona-Krise verfasste Texte bekannter österreichischer Schriftsteller wiedergeben. Norman Hacker etwa spricht einen Text von Franzobel, Sarah Viktoria Frick einen Monolog von Kathrin Röggla. Der Unterschied in Ihrem Fall ist, dass man nur Ihre Stimme hören wird. Was hat es damit auf sich?
Orth: Wie man mir mitgeteilt hat, war ursprünglich geplant, dass man während des Monologs den leeren Heldenplatz sieht. In dem Text schlägt Marlene Streeruwitz, also ihre Figur Betty vor, dass alle, wenn sie wieder hinausdürfen, auf den Heldenplatz gehen und dort gegen den Kanzler demonstrieren, der uns gezwungen hat, drinnen zu bleiben. Auf den Abstand müssten wir dann nicht mehr aufpassen, weil wir uns alle in der Isolation so angefressen haben, dass allein das Fett uns voneinander entfernt hält. Das ist ein Bild, das mich sehr erheitert.