„This Is Venice“ im Burgtheater
So ist also Venedig: dunkel, groß, leer, von einem Glitzervorhang umzäunt. Der Schriftzug „follow the money“ prangt über der selbstverliebt einherschreitenden venezianischen Elite. Mit dabei und doch ausgegrenzt: der Jude Shylock aus der Komödie „Der Kaufmann von Venedig“ und der Schwarze (einst „Mohr“ genannt) Othello aus der gleichnamigen Tragödie.
Shakespeares im antiken Rom angesiedelte Texte wurden bereits gemeinsam aufgeführt, ebenso einige seiner Königsdramen. Das Burgtheater verknüpft nun erstmals die beiden venezianischen Stücke. Die sprachlich schlichte Doppelneuübersetzung mit dem Titel „This Is Venice“ stammt von Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen und Bühnenbildnerin Muriel Gerstner. Sie wollen thematische Gemeinsamkeiten der Werke (Rassismus, Geldgier) hervorheben und die Frauenfiguren stärken. Beide Vorhaben muss man im Ansatz loben, doch die jeweiligen Handlungen setzen ihnen Grenzen. Sowohl Marie-Luise Stockinger als Othellos Frau Desdemona als auch Stacyian Jackson als Portia aus dem „Kaufmann“ geben sich in der Tat sehr selbstbewusst. Die eine wird dennoch vom Gatten getötet, die andere muss das komplizierte Testament des Vaters vollstrecken und entgeht nur durch Tricks vielleicht einer Zwangsehe. Die Stücke sind ineinander verschränkt: Auf eine Szene „Othello“ folgt eine Szene „Kaufmann“. Es ist, als zappe man abwechselnd zwischen zwei Filmen, selten, aber doch fließt ein Handlungsstrang organisch in einen anderen.
Mehr im Falter 10/20