Im Wiener Volkstheater stellte Salman Rushdie seinen Roman „Quichotte“ vor und wusste zu unterhalten
„Darf man Ort und Zeit dieser Veranstaltung überhaupt wissen?“, fragt eine interessierte Zuschauerin. „Kommt gar keine Bewachung?“, wundert sich etwas ängstlich der Inspizient im Wiener Volkstheater. Wenn Salman Rushdie „in the house“ ist, denken viele immer noch, es herrsche Mordalarm.
Vor über 30 Jahren, am Valentinstag des Jahres 1989, verhängte der iranische Ayatollah Khomeini die Fatwa über den damals schon sehr bekannten und vielfach ausgezeichneten Autor: ein Todesurteil. Rushdies Roman „Die satanischen Verse“ beleidige den Islam, daher sei jeder aufrechte Muslim aufgefordert, ihn und alle, die mit dem Buch zu tun haben, zu töten. Ein halbes Jahr später fiel die Berliner Mauer. Rushdie, versteckt in einem Haus in England und unter dauerhaftem Polizeischutz, freute sich: Wenigstens einige Menschen hatten Freiheit gewonnen.
Dass Salman Rushdie auf der Lesereise zu seinem neuesten, 14. Roman „Quichotte“ ausgerechnet am 9. November 2019 in Berlin weilte, ist ein schöner Zufall. Gefahrlos konnte der Autor, zusammen mit seinem Freund Daniel Kehlmann, an den Feierlichkeiten am Brandenburger Tor teilnehmen. 30 Jahre zurückzublicken und an dieses viel größere, wichtigere Ereignis zu denken, ist für Rushdie mittlerweile ganz normal. Die Fatwa ist zwar immer noch offiziell aufrecht, aber seit Anfang des Jahrtausends legt der iranische Staat keinen Wert mehr auf ihre Umsetzung. Die britische Polizei erklärte ihren „Prinzipal“ Joseph Anton – der selbst gewählte Deckname setzt sich aus den Vornamen der Weltliteraten Joseph Conrad und Anton Tschechow zusammen – nach elf Jahren für risikofrei.
Die letzte Station seiner Lesereise führte Salman Rushdie dann nach Wien ans Volkstheater, wo der Autor dieser Zeilen die Ehre hatte, ihn dem Publikum vorzustellen und ein 90-minütiges Gespräch mit ihm zu führen. Über die Fatwa-Jahre will er heute am liebsten gar nicht mehr sprechen. Musste er in Wien auch nicht, denn sein „Quichotte“ liefert die Vorlage für ausreichend Themen.
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