Babylon – Sommerspiele Melk – Vor der Stiftskulisse inszeniert Sommerspiele-Intendant Alexander Hauer (s)ein himmelsstrebendes Auftragswerk von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel
Melk, 19. Juni 2019. Da soll also ein himmelhoher Turm draus werden, aus diesen kubenförmig angeordneten, gegeneinander verschiebbaren Stahlgerüstmodulen. Vielversprechend. Aber weil wir in Babel oder "Babylon" sind, wird es letztlich nur ein Bühnenbild. Das sich gegen das durchaus vollendete Bauwerk dahinter sowieso bescheiden ausnimmt. Denn da thront das Stift Melk über der Donau.
Archaische Sätze aus dem Zweistromland
Das Zelt der Wachauarena für die Sommerspiele in der niederösterreichischen Stadt wird stets mit der Öffnung hin zum Benediktinerkloster aufgebaut. Der Abt sitzt bei jeder Premiere in der ersten Reihe, egal ob Luzifer oder irgendwelche heidnischen Götter ihr Unwesen treiben. Zumindest auf dem Spielplanpapier schafft es Melk-Intendant Alexander Hauer Jahr für Jahr, verblüffende Setzungen gegen den Sommertheater-Mainstream aus Shakespeare und seichter Komödie zu bieten (neben einer sehr populären Musikrevue freilich): Er lässt Filme wie "Metropolis" oder historische, mythologische oder religiöse Stoffe durch wechselnde Autoren bearbeiten und inszeniert so laufend Uraufführungen.
Diesmal hat er einen vermeintlichen Coup gelandet: den streitbaren Deutschen Feridun Zaimoglu und seinen Dramen-Koautor Günter Senkel, die bei den Wormser Nibelungenspielen schon einschlägige Erfahrung sammelten. In Melk durften sie sich zum Thema "Babylon" verwirklichen. Gegenüber dem Vorjahr, als der Thrillerschreiber Bernhard Aichner für Melk einen triviales Mash-up gefühlt aller bösen Menschen der Geschichte entwarf, bedeutet das diesjährige Spektakel jedenfalls literarisch einen Aufstieg (und das trotz Bad-Sex-in-Fiction-Award-verdächtiger Sprüche wie "Tief in mir wühlst du, und du wässerst mich"). Zaimoglu/Senkel finden eine Sprache aus kurzen, archaischen Sätzen, die man gerne bereit ist, in der Blütezeit des Zweistromlands Mesopotamien zu platzieren.
Abgestraft für den Größenwahn
Außerdem gibt es eine halbwegs komplexe Handlung mit Nebensträngen: Die Tochter (Ursula Leitner) des Baumeisters (Max Niemeyer), der für Babels König (Giuseppe Rizzo) den Turm bis in den Götterhimmel errichten soll, liebt den Königssohn (Rafael Haider), des Königs Konkubine (Dagmar Bernhard) entpuppt sich als Göttin, und so weiter. Noch dazu sind am Ende genreuntypisch nicht alle tot, eher im Gegenteil.