Wenn Sprechtheater aus fernen Kulturen zu Festivals eingeladen wird, besteht oft ein gewisser Exotismusverdacht. Werde ich als Zuschauer nur von oben herab sehen: „Aha, so ist das also in Thailand“, oder wird mich der Inhalt auch direkt erreichen, gerade wenn ich auf Übertitel angewiesen bin? Zum Glück wird dieses Dilemma schon sehr früh in „This Song Father Used to Sing“ von Wichaya Artamat angesprochen. Der Bruder in dem Geschwisterpaar, das sich alle paar Jahre zum Totengedenken an den Vater in dessen Haus trifft, ist nämlich selbst Theatermacher. Im Dialog mit seiner Schwester ergibt sich ein lustiges Wortspiel auf Thai, sie schlägt ihm vor, es in sein nächstes Stück einzubauen. Der winkt ab: „Wie soll ich das denn bitte übertiteln?“ Die Titel bemühen sich indes redlich um Erklärungen in eckigen Klammern.
Es ist nicht nur diese Umsicht, die das Stück des daheim preisgekrönten, in Europa noch unbekannten Artamat liebenswert macht. Auch die kleinen Konflikte der Geschwister, ihr unausgesprochener Kampf zwischen Einsamkeit und Kontaktunwilligkeit, schaffen Identifikationspotenzial. Und so ist dieser hochgradig unaufgeregte Abend überraschend berührend. Der Bruder und die Schwester schweigen einander auch mal minutenlang an, dann sagen sie etwas Banales. Dann streiten sie, wenn auch nicht heftig, welchen Tee, welchen Reis oder welches Lied ihr Vater am liebsten mochte. Fad wird das nie, weil man den beiden Spielenden gerne zusieht und weil die große Eskalation zwar nicht kommt, sich aber auch gar nicht ankündigt.
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