Frank Castorf inszeniert „Hunger“ und feierte in der Halleiner Außenstation der Salzburger Festspiele Premiere
Inmitten des Trubels der Salzburger Festspiele ist die Pernerinsel ein besonderer Aufführungsort. Mitarbeiter der Technik berichten, sie würden hier vom allgemeinen Druck eher verschont. Gäste können, ohne schief angeschaut zu werden, krawattenlos bzw. in einem Kleid auftauchen, das weniger gekostet hat als die Eintrittskarte. Und Hallein, eine Viertelstunde südlich, wirkt im Sommer wie eine kleinere, weniger überlaufene Version von Salzburg, die einem das Durchatmen gönnt. Die Premiere des Castorf-Abends „Hunger“ fällt mit dem Abschluss der italienischen Marktwoche zusammen, den zu besuchen die freundliche Rezeptionistin im Hotel empfiehlt, weil sie das mit den Festspielen gerade gar nicht am Schirm hatte.
Der Unterschied zwischen außen und innen fällt dennoch auf. Vor der auf die Pernerinsel gebaute Theaterhalle paradiert eine fröhliche Blasmusikkapelle, drinnen erstreckt sich eine Inszenierung, wie sie noch vor gut einem Jahr genauso an der Berliner Volksbühne gelaufen wäre, die Frank Castorf damals noch leitete. In „Hunger“ (1890), dem autobiografischen Debütroman des Norwegers Knut Hamsun, streift ein genialer Schriftsteller hungernd durch Oslo. In der ebenfalls ins Stück verwursteten Fortsetzung „Mysterien“ (1892) ist der Mann reich, exzentrisch und lebensmüde. Zu sehen sind energiegeladene Ex-Volksbühnen-Stars wie Sophie Rois und Kathrin Angerer, ein sich drehendes Holzhaus, Live-Video, liebevolle Amerika-Kritik (ein ganzer McDonald’s steht auf der Bühne) und Hakenkreuze, weil Hunger-Hamsun sich, als er nicht mehr so hungrig war, an Hitler anbiederte.
Laut Programmheft dauert das viereinhalb Stunden mit Pause, laut Auskunft des Saalpersonals fünfeinviertel. In der Pause sagt einer am Herren-WC, es werde noch bis halb eins dauern, zurück im Zuschauerraum spricht ein anderer von „noch zwei Stunden“.
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