Tobias Moretti spielt in Luk Percevals „Rosa oder Die barmherzige Erde“ einen Demenzkranken, dessen Drama nicht berührt
Alte Menschen auf Bühnen sind wie Tiere oder Kinder: Sie müssen nur da sein, dann geht manchen schon das Herz auf. Bei „Rosa oder Die barmherzige Erde“ von Regisseur Luk Perceval werden diese Leute dauergerührt sein. Da sitzen zwölf hochbetagte Statistinnen auf der Bühne des Akademietheaters und verfolgen das Geschehen, lachen und schlafen auf Kommando. Auch Tobias Moretti tapst leicht vornübergebeugt im Pyjama durch die Gegend und mimt mit entrücktem Blick einen 74-Jährigen in einem Pflegeheim für Demente.
Luk Perceval hat den hierzulande wenig bekannten Roman „Der Bibliothekar, der lieber dement war als zuhause bei seiner Frau“ aus dem Jahr 2013 adaptiert. Der flämische Autor Dimitri Verhulst blickt darin in den Kopf des geistig gesunden Désiré, den das Eheleben so nervt, dass er Demenz vortäuscht und sich ins Heim einliefern lässt. Es ist wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, nur umgekehrt. Seine in ihrer Konsequenz schockierende Tat – etwa muss er immer wieder mit voller Absicht sein Bett einkoten – schildert der Ich-Erzähler mit launigen Worten und Biss. Bei Perceval rückt der Schalk in den Hintergrund. Wer den Roman nicht kennt, kann Morettis Figur leicht für wirklich demenzkrank halten. Als die Tochter sich beim vermeintlich Ahnungslosen ausheult, zeigt er nicht die geringste Regung. Wenigstens stiehlt Moretti so der großartigen Sabine Haupt nicht die Schau. Ihr starker Monolog ist die einzige Szene des Abends, die wirklich nahegeht.
Die verhasste Ehefrau spielt Gertraud Jesserer so ruppig und bitter, dass der Fluchtreflex ihres Gatten nachvollziehbar wird. Mit ihr und vor allem Tobias Moretti wurden zwei große Fernsehnamen gewonnen, fast, als hätte man geahnt, dass es schwierig werden könnte, diese seltsam künstliche Unternehmung zu verkaufen. Der dritte große Name, der hier als Köder missbraucht wird, ist William Shakespeare. Denn der Regisseur versucht obendrein, im Rahmen der Altersheimgeschichte auch die größte Love Story aller Zeiten unterzubringen: „Romeo und Julia“.
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