Der brasilianische Choreograf Bruno Beltrão zeigt bei den Festwochen seine neue Kreation „Inoah“.
Ankündigungen haben bei Bruno Beltrão nie viel Sinn. Selbst den Titel seines neuen Tanzstückes, „Inoah“, verriet der 37-jährige brasilianische Choreograf erst am Premierentag beim Festival Theater der Welt in Hamburg. Der Name bezeichnet die derzeitige Arbeitsbasis seiner Grupo de Rua. Bis dahin stand schlicht „New Creation“ in allen Programmbüchern. Diese kündeten außerdem von einem riesigen Laufband, auf dem „Tänzer*innen“ über 4,6 Kilometer zurücklegen, um dadurch etwas über Grenzübertritte auszusagen. Das Laufband war dann aber zu teuer, von Grenzen ist nichts zu erkennen, und *innen gibt es auch keine: Beltrãos Grupo de Rua ist und war immer schon ein Männerhaufen, und was für einer!
Auf einer schwarzen, durch Lichtstreifen immer wieder neu strukturierten Fläche bewegen sich die zehn Tänzer selten en bloc, aber wenn, dann hat das eine lässige Bedrohlichkeit, dass man ihnen lieber nicht auf einer dunklen Straße in Rio begegnen möchte. Meist sind sie zu zweit oder dritt unterwegs, machen schnelle, beiläufige Moves, die dann wie zufällig für einen kurzen Moment synchron ablaufen. Auch punktuelle Gewaltausbrüche sind vor allem von emotionaler Kühle geprägt: Da springt einer hoch, wird vom anderen in der Luft angestoßen und fliegt einen Meter weiter. Momente der kraftmeiernden Provokation wechseln sich mit zarten Zuckungen ab, wobei die Performer ganz bei sich sind. Dann wieder umkreisen sie die Bühne wie ein Rudel Straßenhunde auf Nachtwache oder wie um ihrem Namen Berechtigung zu verleihen: Grupo de Rua heißt nicht umsonst so etwas wie Streetgang. Kostümiert sind sie in Togen und weiten kurzen Hosen, eine kraftvolle Mischung aus Basketballspieler, Judoka und buddhistischem Mönch.
Mehr im Falter 23/17