Regisseur Bruce Gladwin über seine Arbeit mit den Schauspielern des Back to Back Theatre
„Intellektuelle Beeinträchtigungen“ ist ein Begriff, der hier unter Anführungszeichen am besten aufgehoben ist: Das Ensemble Back to Back Theatre aus Geelong in der Nähe von Melbourne (Südaustralien) setzt sich aus Menschen mit Autismus und Neurodiversion zusammen. Seit 1999 leitet der Regisseur Bruce Gladwin die Gruppe und entwickelt mit ihnen Stücke. Back to Back Theatre fasziniert mit ungewöhnlichen Settings (etwa 2015 der frisch eröffneten Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße mit „small metal objects“), einem starken Fokus auf technische Perfektion und einem auf den ersten Blick beschämend direkten Umgang der Schauspieler mit ihren Behinderungen. Dieses Jahr ist die Produktion „Lady Eats Apple“ bei den Wiener Festwochen zu.
Mr. Gladwin, als Sie Back to Back Theatre übernahmen, geschah das mehr aus einem Interesse an der Arbeit mit Behinderten oder aus dem Wunsch heraus, Theater zu machen?
Bruce Gladwin: Ich sah, wie Schauspieler mit „intellektuellen Beeinträchtigungen“ ein hochintelligentes Werk schufen. Als sie mit mir über Theater und ihr Leben sprachen, war ich sofort fasziniert und fühlte mich zu ihnen hingezogen.
Sogenanntes Inklusionstheater wird immer beliebter und zunehmend ernst genommen. Für viele ist der Besuch dieser Aufführungen aber immer noch mehr ein Akt der sozialen „Wohltätigkeit“ als ein Kunstgenuss. Was kann man tun, um diese Haltung zu verändern?
Gladwin: Man kann versuchen, tolle Kunst zu schaffen. Unsere Arbeit, die wir jetzt zum dritten Mal bei den Wiener Festwochen zeigen dürfen, ist an sich schon ein Hebel für Veränderungen. Wir interessieren uns nicht für Wohltätigkeit und erwarten auch keine vom Publikum.
In „Lady Eats Apple“ treten als Gäste auch zwei Schauspieler ohne Beeinträchtigung auf, was dem nicht behinderten Publikum die Identifikation mit dem Bühnengeschehen erleichtert. Ist das eine beabsichtigte Senkung der Hemmschwelle?
Gladwin: Der Mix aus unterschiedlichen Fähigkeiten auf der Bühne erzeugt eine Spannung, die auf einem scheinbar ungleichen Kräfteverhältnis beruht. Das macht alles dramatischer.
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